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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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den Pyrenäen schlecht werden könnte, dass sie keine Unterkunft finden und und und. Ich versuchte meine Gelassenheit auf sie zu übertragen und ihre Bedenken zu zerstreuen, aber ich glaube, es gelang mir nicht vollständig. Die beiden waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie kaum wahrnahmen, was ich sagte. Sie wunderten sich nur über meine Ruhe, wollten wissen, ob ich schon einmal gepilgert bin. Als ich ihnen sagte, was ich die letzten 2 Monate gemacht habe und wo ich gestartet bin, guckten sie mich in etwa so an, wie ich schauen würde, wenn mir ein Außerirdischer begegnen würde. Später im Pilgerbüro sah ich die beiden noch mal im aufgeregten Gespräch mit einem Mitarbeiter. Ich bin ganz sicher, in ein paar Tagen werden sie zur Ruhe gefunden haben.
     
    Ich hielt mich nur kurz im Pilgerbüro auf, der Bedienstete, ein Deutscher, forderte mich beinahe schroff auf, Platz zu nehmen. Jawoll, Herr Stabsunteroffizier, war ich geneigt zu sagen. Ich wollte doch nur einen Stempel. Das kümmerte ihn gar nicht, er „musste“ mir erst explizit den Weg nach Roncesvalles erklären, bevor ich wieder gehen durfte. Komisch, bisher hat mir niemand den Weg erklärt und trotzdem habe ich es bis hierher geschafft. Was soll’s, der Herr möchte halt nur seine Arbeit gut machen. Als er mir sagen wollte, wo die Pilgerherberge ist, unterbrach ich ihn, da ich entschlossen war, weiterzugehen. Das brachte ihn beinahe aus der Fassung (Warum eigentlich?). „Glauben sie mal ja nicht, dass sie um diese Zeit (Anmerkung: Es war kurz nach 16 Uhr) in einem der nächsten Orte noch ein Bett bekommen!“ empörte er sich. Alle Unterkünfte wären restlos überfüllt, viele Pilger müssten schon auf dem Boden oder in zusätzlich aufgestellten Zelten schlafen. „Aber sie müssen ja selbst wissen, was sie tun!“ Mit diesen Worten verabschiedete er mich und wandte sich dem nächsten Pilger, einem Neuankömmling zu. Der wird die Ratschläge des resoluten Herrn sicher besser befolgt haben. Ich war mir des „Risikos“ durchaus bewusst, den der Weitermarsch mit sich brachte, schließlich schreiben sich zur Zeit täglich 70 – 80 Pilger neu ein, da kann es sicher schon mal eng werden. Aber ich konnte und wollte in diesem unruhigen Umfeld nicht bleiben, irgendwo würde es einen Platz für mich geben, da war ich mir sicher. Das bunte und laute Treiben im Ort mobilisierte trotz bisher schon anstrengender Tagesleistung und Temperaturen von weit über 20° C noch einmal neue Kräfte in mir. Es stand fest, ohne Wenn und Aber, das Signal zeigte mir klar und deutlich „Weiter“ an.
     
    Nach noch ein bisschen Sightseeing begab ich mich stadtauswärts in Richtung des unteren Stadttores. Dabei sprach mich ein Pilger aus der Schweiz an, der in Zürich gestartet und über die Le-Puy-Route hierhergekommen ist. Auch er empfand Saint Jean als Ameisenhaufen, hatte sich aber im Vorfeld ein ruhiges Hotelzimmer gebucht. Er erzählte mir von seiner teils abenteuerlichen Tour durchs französische Zentralmassiv bei tagelangem Dauerregen und total aufgeweichten Pisten. Zwei Pilgerinnen aus England, mit denen er ein Stück zusammen gegangen ist, sind dabei  auf einem steilen Abstieg so schwer gestürzt, dass sie sich schwer verletzt haben und in einer aufwändigen Rettungsaktion aus ihrer misslichen Lage befreit werden mussten. So schnell kann alles vorbei sein! Ich dachte augenblicklich an den gefährlichen Abhang vor Arcy-sur-Cure, wo es ganz leicht ebenfalls zu einem folgenreichen Sturz hätte kommen können. Die Story des Schweizers ermahnt mich, weiter gut aufzupassen und nicht übermütig zu werden.
     
    Unmittelbar nach Verlassen des historischen Stadtkerns ging es in den Anstieg, der so viel Furcht unter Pilgern verbreitet. Hape Kerkeling konnte diese mit seinem Buch nicht gerade entkräften. Die Serpentinen hatten es in der Tat in sich. Hier reduzierte sich das Tempo ganz von allein. Aber so wie ich einen vernünftigen Rhythmus gefunden hatte, ging es. Je höher ich kam, desto grandioser wurde der Blick auf die Bergwelt. Ich war nicht der einzige „Verrückte“, der um diese Zeit noch den Aufstieg begann. 2 weitere Pilger sah ich in den Serpentinen vor mir. Nach rund 5 km erreichte ich Huntto, eine Siedlung, die aus ein paar Häusern besteht. Hier gibt es eine Herberge. Und siehe da, es gab noch freie Betten. Viel Wirbel um nichts, dachte ich in Richtung des Mannes im Pilgerbüro. Die Lage meines Nachtlagers ist mit einem Wort beschrieben: Genial!

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