Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
ist gerade Single und hätte nichts dagegen, wenn ihm in absehbarer Zeit eine nette Dame über den Weg läuft. Er sucht nicht krampfhaft, wartet lieber auf eine glückliche Fügung. Es muss einfach passen. Wer weiß, vielleicht hält ja sogar der Camino etwas für ihn bereit. Nichts ist unmöglich, hier schon mal gar nicht!
Nach Verlassen der Bar fanden wir fast leere Gassen vor, die Nachtschwärmer waren noch nicht aus ihren Löchern gekrochen. Torsten und ich kauften uns ein Abendessen in einem kleinen Lebensmittelladen zusammen und nahmen dies anschließend im mit alten Möbelstücken eingerichteten Flur unserer Pension zu uns. Wenig feudal, dafür pilgergerecht. Nun ist Bettzeit, während draußen gerade wieder ein kräftiger Platzregen niedergeht. Für mein Stadtbesichtigungsprogramm morgen wünsche ich mir anderes Wetter, Torsten für seinen weiteren Marsch sicher auch.
Ein erlebnis- und abwechslungsreicher Tag geht zu Ende. Ich habe zwei nette Menschen kennen gelernt, die ich vielleicht nicht wieder sehen werde. Jeder geht letztendlich seinen eigenen Weg. Ganz besonders hoffe ich, dass Anna morgen Ihren finden wird und den heutigen Tag halbwegs unbeschadet hinter sich lässt. Muskelkater wird ihr aber wohl nicht erspart bleiben. Um Torsten werde ich mich kaum sorgen müssen, der ist längst auf dem Camino angekommen. Auf mich werden neue Begegnungen warten, ganz sicher! Wer weiß, vielleicht läuft sogar morgen eine alte Bekanntschaft noch aus Frankreich-Zeiten zu mir auf, ich denke da an Henry oder gar Karl-Heinz. Mensch, wie weit Frankreich nach nur 2 Tagen schon weg ist. Liegt wohl daran, dass ich mich in Spanien sauwohl fühle, ganz ohne Eingewöhnungszeit. Ich glaube aber auch, dass es gar nicht mehr so wichtig ist, in welchem Land ich nun gerade unterwegs bin. Ich bin inzwischen unterwegs zuhause!
Ganz genau, unterwegs zuhause, das trifft es auf den Punkt.
Was ist noch zu sagen. Die alten Schuhe haben’s tatsächlich bis hierher gemacht! Sie werden nun vorzeitig den Heimweg antreten – diesmal werden sie gefahren oder vielleicht sogar geflogen, das überlasse ich der Post. Mit einem meiner letzten Gedanken des Tages bin ich bei dem kleinen Vogel, der mich kurzzeitig so hilflos gemacht hat. Ich hoffe, es geht ihm gut!
In den engen Gassen von Pamplona
Tag 60, Pamplona Ruhetag
Um 6 Uhr riss mich ein gewaltiger Donner aus dem S chlaf. Draußen tobte wieder ein heftiges Gewitter. Ich schlief trotzdem noch mal ein. Erst um kurz vor 9 Uhr stand ich auf. Torsten war noch da, er wollte abwarten, bis das Wetter sich beruhigt. Tat es dann auch. Wir verabschiedeten uns ein weiteres Mal voneinander. Ich verließ kurz
nach ihm das Haus und besorgte mir ein frisches Baguettebrot zum Frühstück. Ich aß es, noch während ich durch die gähnend leeren Gassen schlenderte, deren nasses Pflaster im Morgenlicht grell glänzte. Über mir taten sich Lücken in der Wolkendecke auf. Ich blieb immer wieder stehen, nahm mir Zeit, die alten Häuser von oben bis unten zu betrachten. Ein deutscher Handwerker würde sich wahrscheinlich mit Grausen abwenden. Die Fassaden mit ihren winzigen teilweise blumentopfüberladenen Balkonen wirken durchweg sanierungsbedürftig. Offen hängende Bündel von Kabeln ziehen sich auf allen Ebenen an den Häuserfronten entlang und überspannen die Gassen in wilder Anordnung von einer Seite zur anderen. Die hohe 5-geschossige Bauweise der Häuser lässt die Gassen besonders schmal erscheinen. Alles wirkt oll, aber nicht ungepflegt. Und genau diese Dinge sind es, die Pamplona ihren unverwechselbaren Charakter verleihen. Mir gefällt’s.
Es war Zeit für Teil 2 meines Frühstücks, einen großen Pott Milchkaffee in einem der zahlreichen Cafés am riesigen Plaza del Castillo, der rundherum von schönen Arkaden gesäumt ist. Erst ganz langsam kam etwas Bewegung in die Stadt. Durch den Kaffee nun endgültig wach, startete ich zu Teil 1 meiner Stadtbesichtigung. Pamplona beherbergt prachtvolle Bauten, allen voran das kunstvoll errichtete Rathaus sowie eine Menge Denkmäler, mit denen die Spanier die Verehrung für ihre Helden zum Ausdruck bringen. Auf dem erhaltenen Teil der alten Befestigungsmauer konnte ich einen Blick auf das „moderne“ Pamplona an der anderen Uferseite des Rio Arga werfen. Nicht wirklich einladend, große Zweckbauten scheinen dort das gesamte Stadtbild zu dominieren. Wie gut, dass der
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