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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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entfernt. Als ich mal wieder ein Stück hinter den beiden herlief, sah ich auf dem Weg einen verletzten Vogel liegen und blieb stehen. Er war ängstlich, ließ sich nicht anfassen. Sowohl seine Beine als auch das Gefieder schienen in Ordnung, lediglich der Kopf wirkte unnatürlich verdreht. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte, überlegte einen Moment, ihn zu töten. Ich hatte schon einen massiven Stein in der Hand, brachte es aber nicht übers Herz, ihn fallen zu lassen. Stattdessen beobachtete ich den Piepmatz von der Größe eines Spatzen eine Weile, um zu sehen, wie er sich verhält. Erst blieb er ruhig auf dem Weg sitzen, flog schließlich ein kleines Stück ins Gebüsch abseits des Weges. Da er fliegen konnte, stand für mich fest, dass ich ihn leben lasse. Wenigstens war er im Gebüsch in Sicherheit und konnte nicht mehr totgetreten werden, wenn die vielen Pilger hinter mir an dieser Stelle entlang marschieren würden. Ich bin sicher, er hat sich erholt und ist überlebensfähig. Zumindest redete ich mir das ein, um meine Entscheidung zu rechtfertigen. Oder muss ich ein schlechtes Gewissen haben und das Tier hat durch mich unnötig gelitten? Nach einigem hin und her stand für mich fest: „Nein! Es kann kein Fehler sein, nicht zu töten!“. Entschlossen setzte ich meinen Weg fort, werde leider nicht erfahren, was mit dem kleinen Federvieh passiert.
     
    Anna und Torsten waren natürlich inzwischen weit vor mir. Erst in Zubiri traf ich wieder auf sie, da sie sich dort eine längere Pause gönnten. Sie hatten sich schon gefragt, wo ich stecken würde, vermuteten mich eigentlich die ganze Zeit knapp hinter sich. Den Vogel hatten sie gar nicht bemerkt.
     
    Auf dem Weg in Richtung Larrasoaña, den ich nach kurzer Rast nun meinerseits vornweg marschierte, wurde die schöne Landschaft kurzzeitig von einem wenig ansehnlichen, dafür recht großen Industriebetrieb gestört. Diese ästhetische Beeinträchtigung ließ ich aber schnell hinter mir und erreichte bald darauf den anvisierten Ort, ein beschauliches Nest mit 170 Einwohnern. Einige Hausfassaden dort sind von Pflanzen mit üppiger Blütenpracht berankt und sorgen so für kräftige Farbtupfer auf dem ansonsten staubigen Dorfplatz. Vor der örtlichen Albergue ließ ich mich nieder und musste nicht lange auf meine Mitpilger warten. Eine ältere spanische Dame, die gerade den Parkplatz reinigte, sprach uns an und bat uns, sie in ihr Haus zu begleiten. Stolz präsentierte sie uns das Privatmuseum ihres Bruders, der über Jahrzehnte in der gegenüberliegenden Herberge gearbeitet hat. Natürlich ist er auch unzählige Male selbst gepilgert, ihm fließt sozusagen Caminoblut durch die Adern. Eine beeindruckende Sammlung an Erinnerungen, die der Mann da im Laufe der Zeit zusammengetragen hat, empfing uns. Viele der Sachen hat er von vorbeiziehenden Pilgern geschenkt bekommen. 2 Räume sind prall gefüllt mit Bildern, Tafeln, Schildern, Muscheln, Mützen, Stöcken, Büchern, Kleidungsstücken und vielen anderen Gegenständen. Menschen wie dieser Spanier oder auch seine Schwester tragen den Jakobsweg tief in ihrem Herzen, das spürt man. Hier hat die fortschreitende Kommerzialisierung keinen Platz. Sie sind es übrigens auch, die durch ihr Engagement für die fast perfekte Markierung sorgen. Überall weist uns der
    gelbe Pfeil den Weg. Ein leerer gelber Farbeimer sowie der dazugehörige benutzte Pinsel haben einen für Jedermann sichtbaren Sonderplatz in dem kleinen Museum. Dank der Spanischkenntnisse von Torsten bekamen Anna und ich übersetzt, was die Dame und ihr Bruder zu den einzelnen Ausstellungsstücken zu erzählen hatten. Nach dieser netten kleinen Abwechslung und dem Blick hinter die Kulissen des Camino ging es weiter. Inzwischen waren ein paar andere Pilger vor der Albergue eingetroffen, die anscheinend ihren Tagestrip hier beenden wollten. Anna und Torsten kämpften derweil mit ersten Ermüdungserscheinungen, waren aber tapfer.
     
    Am nun frühen Nachmittag war es mit 30° C bullenheiß. Auch ich schwitzte aus allen Poren, fühlte mich körperlich dennoch absolut frisch. Ich wundere mich selber, freue mich aber natürlich über jeden Tag, an dem es so ist und weiß diesen Umstand sehr zu schätzen. Während Torsten nun ein deutlich gemäßigtes Tempo anschlug, hing sich Anna an meine Fersen, obwohl es für sie sicher sinnvoller gewesen wäre, mit Torsten zu gehen. Neben einem großen Picknickplatz am Ufer des Rio Arga fiel es uns beiden schwer,

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