Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
einen Ruhetag.
Am Abend wechselte das Publikum in den Gassen, es wurde jünger, lauter, lebhafter – Wochenendatmosphäre. Für Besichtigungen habe ich morgen noch genügend Zeit, lediglich die Kathedrale steuerten wir heute noch an, da Torsten ja morgen schon weitergeht. Das Gotteshaus ist innen mit einem verschwenderischen Luxus ausgestattet, das einem fast die Augen übergehen. Mir gefällt es schlicht besser! Bei der anschließenden Suche nach einem Restaurant fiel mir ein Sportgeschäft auf. Es war 19:45 Uhr, 15 Minuten vor Feierabend. Ich verstand das als ein Zeichen und ging sogleich mit Torsten in den Laden. Es gab gerade 2 Paar Trekkingschuhe in meiner Größe, eines davon passte passabel. Ohne viel Federlesen schlug ich zu und kaufte es. 75,60 € sollte es kosten, das war deutlich günstiger als ich dachte. An der Kasse wurden mir jedoch nur 30,24 € berechnet, das sollte einer verstehen. Die Verkäuferin sah an meinem fragenden Blick, dass ich gerade gar nix schnallte. Sie klärte mich auf – Ausverkauf! Alles muss raus, alle Artikel 60 % reduziert! Ist das normal? Nee, aber genial! So viel zu Zeichen… .
Noch vor 20 Uhr waren wir wieder raus aus dem Laden. Unbemerkt war es plötzlich nachtschwarz über Pamplona geworden und ein Gewitter entlud sich mit voller Kraft, prasselnder Regen ließ das Pflaster augenblicklich wie eine Seenplatte erscheinen. Das dumpfe Donnergrollen bekam in der engen Gasse eine düstere, beinahe bedrohliche Wirkung. Wegen der hohen Gebäude ließ sich die Wetteränderung nicht ansatzweise vorhersehen. Mit einigen anderen Passanten warteten wir im trockenen Eingangsbereich des Sportgeschäftes bis die Verkäuferinnen den Laden verließen und das Eisenrollo runter zogen. Nun mussten wir hinaus in den Regen, der wenigstens etwas nachgelassen hatte. Leider gibt es in dem Bereich der Altstadt keine Arkadengänge, daher hechteten wir von Restaurant zu Restaurant, um uns die Speisekarten anzusehen. Irgendwie sagte uns das alles nicht zu, außerdem war es
zu teuer. Also suchten wir schließlich eine Bar auf und bestellten uns jeder einen großen Humpen Bier. Flüssignahrung tat es vorerst auch. Der Regen brachte dem Laden Gäste, es war brechend voll, der Lärmpegel hoch. Der viel zu laut eingestellte Fernseher tat sein Übriges dazu. In einer hinteren Ecke fanden wir einen halbwegs ruhigen Platz für eine normale Unterhaltung. Torsten erzählte mir von seiner Tätigkeit. Er ist Jurist, arbeitet in der Rechtsabteilung einer Firma mit dem Themengebiet Immobilienrecht. Sein weltgewandtes Auftreten wird er sich durch seine vielen Reisen in aller Welt geholt haben. Viel Spaß hat er an seinem Job nicht mehr. Überstunden zwingen ihn nicht selten zur Arbeit bis in den späten Abend oder gar die Nacht hinein. Lange will er sich das nicht mehr antun und wird sich wohl in Kürze um etwas Neues kümmern. Wenn er gescheit ist! Er findet es nur noch abartig, was einem als Arbeitnehmer heute von seinen Arbeitgebern teilweise abverlangt wird. Man wird richtiggehend verheizt, bis die Substanz irgendwann aufgebraucht ist. Was nützt da das beste Gehalt? Da sind wir uns einig. Überhaupt teilen wir unsere Einstellung zu vielen anderen Dingen. Hätte ich vorher nicht unbedingt gedacht. Ich kann jetzt verstehen, warum er das Wandern durch die Natur mit so vielen Begeisterungsbekundungen kommentiert. Es muss für ihn etwas Befreiendes haben.
Ich versuchte, während Torsten von seiner Arbeit erzählte, mir seine Arbeitgeber vorzustellen. Ich sah eine „Menschenmutation“, kalt, arrogant und ohne jedes Empfinden für ihre Mitmenschen. In ihrer Welt regieren die Zahlen und Währungen. Sie sind steinreich und kriegen den Hals trotzdem nicht voll. Also spielen sie mit echten Immobilien Monopoly und stürzen dabei zahllose einfache Existenzen in Ruin und Verzweiflung. Okay, das ist ein sehr grob geschnitztes Bild, doch leider wird es kaum freundlicher, wenn ich es verfeinere. Bezieht sich sicher nicht nur auf Immobilienhaie. Bezogen auf seine Arbeitgeber mochte Torsten diesem Bild noch nicht einmal vollständig widersprechen, wenngleich es natürlich zu pauschal und überzeichnet ist. „Wenn man ehrlich ist, ist leider etwas Wahres dran.“ Torsten wirkte etwas nachdenklich, als er sich so äußerte. Wir vertieften das Thema aber nicht weiter, denn auch Torsten hatte wenig bis keine Lust, groß über die Arbeit zu reden. Wir wandten uns schöneren Themen zu, Frauen zum Beispiel. Torsten
Weitere Kostenlose Bücher