Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
immerhin rund 17 km entfernt. Wow, die Frau hat Power! Wir verabschiedeten uns (vorläufig). Ela meinte, wir sehen uns spätestens in ein paar Tagen wieder, ich bin mir da nicht so sicher, wenn sie ihre Frequenz beibehält. Wir werden sehen... .
Mit meiner Unterkunft habe ich es super erwischt. Ein umgebauter landestypischer Bauernhof, liebevoll renoviert, mit Innenhof und großem Garten lädt geradezu zum Verweilen ein. Zwar gibt es nur einen großen Schlafraum mit 48 Betten, aber das soll mich heute nicht stören. Zum Relaxen kann ich mir gerade keinen besseren Ort vorstellen. Adrian und Bernadette, ein holländisches Ehepaar aus Alkmaar hat ebenso hier seine Zelte aufgeschlagen wie Julia aus den USA. Die 3 kenne ich seit León. Adrian und Bernadette pilgern seit dem 1. April, sie sind zu Hause gestartet. Als sie noch in Belgien waren, sind sie Jos das erste Mal begegnet. Der ist zwar wesentlich schneller unterwegs, hat aber eine deutlich längere Route gewählt. In León haben sie sich gerade zum zweiten Mal getroffen. War das eine Begrüßung!
Ich gebe meinem Körper, was er braucht, nämlich Ruhe und Erholung. Nach und nach trudeln weitere Pilger ein, keine Bekannten dabei. Mit einem schwedischen Pilger komme ich ins Gespräch. Er hat sich mit dem Freund seiner Tochter auf den Camino begeben. Auch eine nicht alltägliche Konstellation. Will ihn wohl auf „Tauglichkeit“ testen!?
Ein bisschen Smalltalk mit Erika, einer Schweizerin, 2 Belgierinnen, die heute erst in Astorga gestartet sind und einem stark sächselnden Herrn aus Görlitz sorgten für angenehmen Zeitvertreib bis zum Abend. Im späten Sonnenlicht unternahm ich noch ein paar Schritte durchs Dorf, in dem sich die Feiergesellschaft inzwischen zum Boule-Platz verlagert hatte und unermüdlich eigentümliche Kreistänze aufführte.
Ich glaube, morgen sind meine Akkus wieder aufgeladen, das spüre ich. Mit dem guten Essen, was wir am frühen Abend gereicht bekamen und einer ordentlichen Mütze voll Schlaf wird sich mein Körper voll regenerieren. Ist ja gut zu wissen, dass er keine Maschine ist und gelegentlich etwas gehegt und gepflegt werden will. Es war vernünftig, heute nicht den Ehrgeiz zu entwickeln, mich an Ela dranzuhängen. Morgen wartet mit der Maragateria eine dünn besiedelte Region, die als besonders ursprünglich beschrieben wird. Klingt gut! Nach viel Flachland in den letzten Tagen geht es gleich nach dem Start hinter Murias stetig bergauf, ehe ich im Gebirge der Montes de León den höchsten Punkt des Camino in über 1.500 m Höhe überquere. Da werde ich sicher etwas Kraft gut brauchen können.
Es ist gerade erst 21:30 Uhr, noch vor den meisten anderen beginne ich jetzt meine Nachtruhe. Ich will schlafen, bevor das große Schnarchen losgeht!
Tag 75, Murias – Riego de Ambrós 38 km
Mein Plan ist aufgegangen! Wie ein Murmeltier habe ich geschlafen und sprühte direkt nach dem Aufstehen nur so vor Tatendrang. Der Blick hinaus vor die Tür war weniger erfreulich. Wolkenverhangen, düster und lausig kalt war es über Nacht geworden. Und das nach den letzten Hochsommertagen. Tja, wir nähern uns eben Galizien. Dafür wartete kurz nach dem Start ein seltenes Naturschauspiel auf mich und die anderen Pilger. Weit hinter unserem Rücken schien die Sonne und voraus regnete es aus tiefdunklen Wolken. Ein Bilderbuchregenbogen war das Ergebnis. Soweit nichts Besonderes. Aber dass eine solche Konstellation eine ganze Stunde anhält, habe ich bisher noch nicht erlebt. Im Rhythmus unseres Ganges wanderten Sonne und Regenwolken gleichermaßen mit uns mit und ließen den leuchtenden Bogen wie einen überdimensionierten Gateway Arch (den aus St. Louis) vor uns erscheinen. Wir schafften es einfach nicht, hindurch zu gehen, er blieb konstant vor uns. Ein faszinierender Anblick. Mit den teils dem Verfall preisgegebenen Dörfern Santa Catalina de Somoza und El Ganso im Vordergrund nahm die Szenerie beinahe unwirkliche Züge an. Wer mochte sich da noch über das Wetter beschweren? Erst so bekam die karg-raue Landschaft einen Kontrast, der ihr den passenden Ausdruck verlieh.
Im gesamten Verlauf sorgten blühende Ginsterbüsche, Disteln und andere bunte Pflanzen für Farbtupfer entlang wildwüchsiger Naturpfade. Die kaum befahrene Landstraße nebenan störte kaum. Es war ein sehr sanfter, aber stetiger Anstieg, der keine nennenswerten Anstrengungen verursachte. Es
Weitere Kostenlose Bücher