Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
nicht mehr vorstellen, ein paar Besuche reichen ihr vollkommen. Und das hat nicht nur mit dem Wetter zu tun. Der Jakobsweg ist für Ela Teil einer längeren beruflichen Auszeit. Sie ist selbständige Gesundheitsberaterin und Fitnesstrainerin. In den letzten Jahren hat ihr Beruf mehr und mehr Besitz von ihr ergriffen und dadurch das Leben nicht gerade zum Positiven verändert. Höchste Zeit für einen Break. Ihr Mann nimmt sich seine Auszeit gerade bei einer längeren Abenteuertour durch Tibet, Nepal und Indien. Unser Gang verlief sehr kurzweilig, Ela ist eine prima Gesprächspartnerin. Sie strahlt durch ihre Erfahrungen Souveränität, Gelassenheit und sehr viel gesunden Optimismus aus. Ich habe rein gar nichts dagegen, noch einige Kilometer mehr mit ihr gemeinsam zu pilgern.
Kurz vor unserem Tagesziel trafen wir auf den Pferdepilger. Ela kannte ihn schon. Er heißt Bruno, ist Franzose und in Le Puy gestartet. Der Einmarsch nach Hospital de Órbigo ist imposant. Über die 20-bogige und mit Abstand längste Brücke des Camino betraten wir den kleinen Altstadtkern. Ein wahrlich erhabener Anblick. Die von uns gewählte Albergue liegt einen halben Kilometer außerhalb. Wir erreichten sie über eine schöne Buchenallee und waren halbwegs verdutzt, als wir feststellten, dass außer uns noch kein Mensch dort war. Wahrscheinlich, weil sie so abgelegen ist. Eine große Albergue liegt mitten im Ort, die meisten Pilger dürfte es dorthin ziehen. Genau deshalb haben wir sie nicht gewählt. Ein einsames Häuschen am Waldrand verspricht einfach eine bessere Nachtruhe. Ela sagte mir, alleine wäre sie wieder umgekehrt. So aber blieben wir. Die Tür war offen, wir inspizierten zunächst die sehr einfach und zweckmäßig gehaltenen Räumlichkeiten, bevor wir eine Schlafkabine belegten. Derweil stieß Bruno hinzu. Für sein Pferd ist das hier ein idealer Platz zum Übernachten. Ich kann mir vorstellen, dass es für die beiden nicht immer leicht ist, ein passendes Quartier zu finden.
Noch vor Dusche und Wäsche suchten wir erst mal den nahe gelegenen großen Biergarten auf und bekämpften unseren Durst mit einem angemessenen Kaltgetränk. Bruno zog dabei mit seinem treuen Begleiter die anhimmelnden Blicke aller jungen Mädchen auf sich. Es war 17 Uhr, inzwischen hochsommerlich, und wir freuten uns, für den Rest des Tages die Beine hochlegen zu können. Das Leben kann so einfach sein – und doch so schön!
Gerade einmal 3 weitere Pilger hatten den Weg in unsere Albergue gefunden, als wir eine Stunde später zurückkehrten. Nach der Dusche begaben wir uns in den Dorfkern, in dem gerade ein Wettbewerb im Baumstammsägen und Holzhacken stattfand. Der Dorfplatz war dicht umlagert, alle Athleten wurden enthusiastisch angefeuert. Schön anzuschauen, gerade wenn man mit dem eigenen Tagewerk schon fertig ist.
Da wir in unserer Albergue eine Küche haben, kauften wir ein paar Sachen für ein richtiges Frühstück ein. Zuletzt bestand dieses meist aus ein paar Muffins und Keksen. Hauptsache Kalorien! Morgen gibt es eine große Pfanne mit Rührei, lecker! Natürlich trafen wir auch Eileen und Torsten wieder. Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen, obwohl wir es ja fast schon erwarten. Alles ist so herrlich ungezwungen auf dem Camino. Man sieht sich, redet, trennt sich, trifft sich wieder und so weiter. So lange, bis man sich irgendwann doch aus den Augen verloren hat.
In einem netten Restaurant erweiterte sich unsere Runde zunehmend um weitere Pilger, mit denen wir schon gestern Nachmittag in León zusammen gesessen hatten. Sogar Jos war dabei. Er hatte sich trotz spätem Start entscheiden, die recht lange Etappe bis Hospital de Órbigo zu gehen. Ein paar uns bisher nicht bekannter Gesichter gesellten sich noch dazu und so hatten wir schon bald wieder einen bunten und lustigen Haufen beisammen. Bei den Kommentaren einer doch arg naiven jungen Frau aus Deutschland mussten wir uns manchmal zwingen, nicht lauthals zu lachen. Sie hatte eben ein sehr (sehr) einfaches Gemüt und es wäre daher nicht nett gewesen, sich über sie lustig zu machen. Ich gebe zu, es fiel nicht immer ganz leicht. Sie war schon eine besondere Marke. Aber auch sie geht den Camino, alleine sogar, hat es bis hierher gemeistert und wird es sicher auch bis Santiago schaffen. Jeder kann den Weg gehen! Jeder! Es bedurfte etwas Disziplin, unsere fröhliche Runde aufzulösen. Eine Fiesta im Ort lud ein, der Party von León eine weitere folgen zu lassen,
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