Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
lautete meine Devise. Leider kam nun ein unvermeidliches Stück Straße mit wenig erbaulichen Eindrücken. Na ja, halb so wild, wenigstens fuhren kaum noch Autos. Vielleicht der einzige Vorteil der nebenan verlaufenden Autobahn. In der Bar einer heruntergekommenen Albergue trank ich mir schnell ein kleines Bier, bevor ich hinter dem Ort Las Herrerias endlich wieder die Straße verlassen durfte. Die Natur hatte mich wieder! Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht an ihr erfreue. Kann mir kaum vorstellen, dass das jemals aufhören wird. Aus einer Bar riefen mir Michelle und ihr Partner zu. Sie haben im gleichen Haus ein Zimmer bezogen und ließen sich bereits ihr Feierabendbier schmecken. Ich hatte mir vorgenommen, noch den ersten Teil des Anstiegs hinauf nach O Cebreiro in Angriff zu nehmen, trotzdem gesellte ich mich auf einen kurzen Schnack zu den beiden. Ich mag sie irgendwie, auch wenn unsere Begegnungen immer nur kurz und oberflächlich sind. Egal, wann und wo man sie trifft, sie sind immer freundlich, haben immer ein Lächeln parat.
Die letzten 4 km des Tages hatten es in sich. Gleichmäßig steil ging es durch einen alten und dichtbewachsenen Laubwald bergauf. Der Boden war feucht, da kaum ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach dringt. Ich war aber in einer Top-Verfassung und flog förmlich den Berg hinauf, so wie einst Lance Armstrong bei der Tour de France, nur eben ohne Räder. In dem Wissen, dass es nicht mehr weit war, hatte ich Lust, mich auf den letzten Metern so richtig auszupowern. Ein paar Pilger, die den Weg mühsam hinauf kletterten, fragten sich wahrscheinlich, von wie vielen Taranteln ich gestochen worden bin oder vor wem ich flüchtete. Wirklich wie ein Irrer wetzte ich, bis mir die Schenkel brannten. Warum? Keine Ahnung, ich brauchte es halt gerade. Angekommen in La Faba, ließ ich mich völlig durchgeschwitzt auf die Treppe der Albergue fallen. War das ein Spurt! Und - ich fühlte mich hammermäßig gut!
Nach 5 Minuten Luft holen meldete ich mich beim Hospitalero an. Als er hörte, dass ich in Köln gestartet bin, hatte er eine sehr nette Überraschung für mich parat. Aus seinem Privatzimmer reichte er mir eine Flasche Früh Kölsch. Das passte, ich war begeistert! Und wie die schmeckte! Jeder Schluck streichelte sanft meine dürstende Kehle. Prompte Belohnung für einen selbst gewählten Leistungstest! Einige andere Pilger wollten nun natürlich auch ein Frühchen, aber der Hospitalero gab klar zu verstehen, dass nur, wer in Köln gestartet ist, auch eines bekommt. Tja, war keiner dabei, Pech gehabt!
Die Herberge ist prima, steht übrigens unter deutscher Leitung, hat allerdings nur einen großen Schlafraum mit 35 Betten. Die Jakobusgesellschaft, die sie betreibt, hat auch die früher verfallene Dorfkapelle direkt nebenan wieder schön saniert. Was sofort auffiel, war die deutsche Gründlichkeit, beinahe des Guten etwas zu viel. Hier herrscht Ordnung, aber nicht so, dass es stört. Noch etwas fällt auf: Es wird fast ausschließlich Deutsch gesprochen. Einer Pilgergruppe hörte ich beim Gespräch zu und konnte kaum glauben, was einzelne von ihnen von sich gaben. Mensch, was nahmen die sich wichtig. Sie schienen allen Ernstes zu glauben, dass sie das Pilgern erfunden haben. Gleichzeitig bewerteten bzw. beurteilten sie andere Pilger und stellten bedeutungsschwer und voller Überzeugung fest, ob diese gute oder schlechte Pilger seien. Natürlich nahmen sie nur ihr eigenes winziges und verbohrtes Weltbild als Maßstab, um zu ihren Urteilen zu gelangen. Ich hätte mich schütteln können. Geht‘s noch? Manche Leute schaffen es anscheinend auch auf dem Camino nicht, ihre Engstirnigkeit abzulegen. Ich hatte genug gehört, setzte mich woanders hin, diesen gequirlten Quark konnte ich mir nicht länger anhören.
Später wollte mich ein anderer Pilger für den Chor in der Abendandacht gewinnen. Ich sagte freundlich ‚Nein’, womit er sich aber nicht zufrieden gab und weiter bohrte. Erst ein deutlicheres ‚Nein’ ließ ihn in seinen Bemühungen aufgeben. Ich hatte und habe auf so etwas keine Lust, will in keiner Abendandacht singen und möchte auch selbst entscheiden, was ich mache und was nicht. Vielleicht hätte ich bei Michelle und ihrem Mann (Freund, Partner oder was auch immer) in der Bar bleiben sollen, dachte ich kurz.
Aber nur wenig später trudelten im Abstand einiger Minuten Jos, Ela, Eileen und Torsten ein. Also auch Jos, er war wieder fit. Sonst hätte er es
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