Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
durchweg teure Markenklamotten. Auf den Camino sind sie durch Paulo Coelho gekommen. Das verwundert nicht wirklich! Nach dem San-Roque-Pass ging ich allein weiter, da die beiden sich eine längere Verschnaufpause gönnten. Die Berge machten ihnen ziemlich zu schaffen. Sie waren froh, dass es bald endgültig nur noch hinab geht. Einen Anstieg mussten sie allerdings noch nehmen. Nicht lang, aber giftig. Der Alto do Poio wird als letzte echte Hürde auf dem Weg nach Santiago bezeichnet. Ich kann nicht sagen, dass sie mich übermäßig angestrengt hat. Ich habe mich tatsächlich zu einem richtigen Bergwanderer gemausert. Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht? Ich nicht unbedingt. Oben angekommen wartete eine Kaffeebar auf durstige Pilger. Dieses Angebot schlug ich natürlich nicht aus und trank mir einen liebgewonnenen Café con leche. Als sich die halbe Belegschaft der La Faba-Albergue versammelte, machte ich den Abflug. Dadurch hatte ich den vor mir liegenden Weg fast für mich allein. Ich wunderte mich, dass mir „meine“ Kameraden bisher nicht einmal begegnet sind. Nun, es waren ja noch einige Kilometer zu gehen.
In der Folge ging es stetig bergab. Kleine und kleinste galizische Bergdörfer sorgten von nun an für die besonderen Momente. Deren alte Bewohner bildeten zwischen den noch älteren Häusern die lebendige Aufrechterhaltung ihrer eigenen Geschichte. Ich fürchte, wenn diese Generation ihre Dörfer das erste, einzige und damit letzte Mal verlässt, dann gibt es bald weitere Geisterstädte. Junge einheimische Menschen suchte ich bisher vergeblich. Vielleicht werden die Dörfer ja in Freilichtmuseen umgewandelt.
Da sich die Nebelschleier immer noch nicht ganz verzogen hatten, führte mein Weg mitten in einen solchen hinein. Ein paar hundert Meter weiter hatte ich sie über mir. Dadurch war erst mal Schluss mit Sonne. Aber schon in Tricastela war sie zurück. Mühsam zwar, aber mit nicht nachlassender Kraft hat sie es schließlich geschafft, den Nebel komplett aufzufressen. Knapp 700 m tiefer waren die Temperaturen gleich viel angenehmer als in den Höhenlagen. Tja, und in Tricastela traf ich auch „meine“ komplette Clique wieder. Innerhalb einer halben Stunde trudelten alle ein. Von Jos trennten wir uns aber sofort wieder. Er ging auf dem Original Camino weiter, während alle anderen, so auch ich, den Umweg über Samos in Angriff nahmen. Das dortige Kloster soll laut Reiseführer unbedingt einen Besuch wert sein. Wir haben beschlossen, es herauszufinden.
Nach den herausragenden Naturerlebnissen des Tages verblasste der Weg nach Samos etwas, vor allem mit den ersten Kilometern entlang der Straße tat ich mich schwer. Aber hinten raus war’s wieder gut, da begleitete uns ein Bachlauf durch schönen Mischwald, immer wieder unterbrochen von diesen einmaligen galizischen Dörfern. Erstmals einen Kilometer vor Samos konnten wir von einer Anhöhe das Kloster sehen und erkannten bereits die gewaltigen Dimensionen. Der Eindruck verstärkte sich, als wir direkt davor standen. Ein wahrhaftig imposantes Bauwerk! Dieses Kloster gilt als eines der ältesten der westlichen Welt und wurde um das 5. oder 6. Jahrhundert gegründet. In diesem Gemäuer ist unsere Albergue untergebracht, ein großes Gewölbe mit 90 dicht an dicht stehenden Betten. So ähnlich stelle ich mir auch Roncesvalles vor. Prima, diese Erfahrung fehlte mir bisher noch. Heute bin ich dazu bereit, vor knapp 3 Wochen war ich es nicht.
Der Ort ist eigentlich nur das Kloster, der Rest völlig uninteressant. So galt denn unsere ganze Aufmerksamkeit dieser besonderen, geschichtsträchtigen Stätte. Die geführte Besichtigungstour war zwar nur in Spanisch erklärt, aber das machte nichts. Sehen reichte vollkommen. Herrliche Kreuzgänge, eindringliche Wandbemalungen und eine Klosterkirche mit dem schönsten Altar, den ich auf dem ganzen Camino bisher gesehen habe. Allein deshalb landet diese Kirche auf Platz 3 meiner persönlichen „Hitliste“. Auch ein paar Mönchen begegneten wir auf den Gängen. In sich versunken nahmen sie gar keine Notiz von uns Besuchern. Kurz: Dieses Kloster ist definitiv einen Besuch wert! Ob Jos nun was verpasst hat, weiß ich nicht. Ich glaube aber, er legt keinen gesteigerten Wert auf Klöster und Kirchen. Daher ist es für ihn bestimmt okay, dass er den anderen Weg eingeschlagen hat.
In Erwartung der vielgepriesenen gregorianischen Gesänge besuchten wir nach der Führung die Messe. Ich will nicht
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