Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
zurück in die reale Welt fühlte ich mich zunächst durch die Sonne geblendet. Ich orientierte mich in Richtung Marktplatz, gönnte mir Kaffee, Kuchen und Sonnenbad und ließ das soeben Erlebte in mir nachwirken. Als ich das brasilianische Paar sah, bat ich sie um ein Erinnerungsfoto. Die beiden sind ein so fester Bestandteil meines Weges geworden, dass es mir leid täte, ohne ein Bild von ihnen nach Hause zu fahren. Die dunkelhaarige Schönheit heißt übrigens Michelle,
den Namen ihres Begleiters, Freundes oder Man nes sprach ich nach dreimaligem Nachfragen ein Mal aus und hatte ihn nach 3 Minuten doch wieder vergessen. Zu kompliziert für meine Zunge.
Kurz nachdem die beiden ihren Weg fortsetzten, gesellten sich Eileen und Torsten zu mir. Mit ihnen verbrachte ich noch eine Viertelstunde, bevor ich mit bleibenden Erinnerungen Ponferrada verließ. Der Gang aus der Stadt verlief wenig ansprechend durch typisch städtisches Wohngebiet und Einkaufsstraßen. Es dauerte, bis die Stadt endgültig hinter mir lag. Danach war es gelöstes Wandern zwischen Feldern und kleinen Ortschaften. Es blieb flach, obwohl ich von Bergen umgeben war. Der nächste Anstieg rückt frühestens morgen in Reichweite. Die letzten 5 km bis Cacabelos führten durch Weinfelder, sehr angenehm zu gehen.
Eigentlich wollte ich in Cacabelos nur Pause machen, aber die örtliche Herberge wirkte so einladend auf mich, dass ich mich spontan entschied, einzuchecken. In Hufeisenform ist sie um die die Kirche umgebende Steinmauer gebaut und besteht aus 35 Kammern mit je 2 Betten. Sehr originell! Ich bekam eine Kammer für mich alleine zugewiesen. Allerdings konnte sich das noch ändern, es war ja erst Nachmittag. Beim Wäsche waschen lief mir Ela über den Weg. Sie und auch Jos hatten heute einen nicht so guten Tag, Jos lag sogar mit heftigen Magenbeschwerden im Bett. Er hat schon den ganzen Tag keine Nahrung bei sich behalten. So schnell waren wir also wieder „vereint“. Na klar, zwei fehlten noch, aber auch Eileen und Torsten trudelten nur eine halbe Stunde nach mir in der Albergue ein. Der Erzgebirgler hatte hingegen noch nicht genug, nach einem kurzen Blick in die Albergue zog er entschlossenen Schrittes weiter. Mir fällt die große Anzahl „Fußkranker“ auf, die teilweise mit üblen Problemen zu kämpfen haben. Allein der Blick auf manche Füße verursacht bereits Schmerzen. Die Betroffenen leiden still vor sich hin, es ist keiner dabei, der klagt. Ich bin froh, dass ich das lange hinter mir habe. Vor Blasen sehe ich mich mittlerweile durch eine dicke Hornhautschicht gefeit. Erika, die Schweizerin, ist auch hier. Ihr geht es ziemlich schlecht, nicht die üblichen Fußprobleme, scheinbar etwas Schwerwiegenderes. Sie wirkt ziemlich deprimiert, hat starke Zweifel, Santiago zu erreichen. Meine Versuche, ihr Mut zuzusprechen konnten ihr nur ein müdes Lächeln abringen. Sie scheint nicht mehr den rechten Glauben an eine erfolgreiche Fortsetzung des Weges zu haben. Wie die anderen saß ich die Nachmittagshitze im Innenhof der Albergue ab und startete erst am frühen Abend in den Ort. Ela, Eileen und Torsten begleiteten mich. Jos blieb weiter ans Bett gefesselt. Cacabelos gibt nichts her, was der besonderen Erwähnung bedarf. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich längst verwöhnt bin!
Unser Abendessen nahmen wir in einer Pizzeria mit Fast-Food-Charakter und schlechter Bedienung ein. Wir hatten uns heute nicht sonderlich viel zu erzählen, hingen meist unseren eigenen Gedanken nach. Ela ging es außerdem noch nicht wieder so wirklich toll. Mit den wenigen Themen, um die es ging, hatte ich nicht viel am Hut. Teure Geschäftsessen, edle Weine, feine Restaurants, schicke Kleidung und ähnliche Dinge interessieren mich nun mal nicht die Bohne. Ich hab’s halt lieber bodenständig. Ich verhehlte meine rustikale Gesinnung nicht, nannte als ein paar meiner Lieblingsspeisen Nudelsalat, Reibeplätzchen, simple Eintöpfe und Eier in Senfsoße, während die 3 von Feinschmeckergerichten mit französischen Phantasienamen schwärmten. Tja, jedem seins!
Der etwas müde Ausklang wirft keinen Schatten auf einen Tag, dessen plötzlicher Gefühlsausbruch mich natürlich auch vor Antreten der Nachtruhe noch beschäftigt. Die Kammer habe ich übrigens für mich allein, mir wurde kein anderer Pilger mehr „zugelost“. Hurra!! Wenn Hape wüsste, welch schöne Herbergen er verpasst hat, dadurch dass er nur in Pensionen oder Hotels genächtigt hat.
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