Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
hunderte von verendeten Tieren zwischengelagert wurden. Angesichts des Gestanks, der mir entgegenkam und der Vorstellung von elendigen Qualen der Tiere zog es mir den Magen zusammen. Ich fühlte mich hilflos. Diese Form der Massentierhaltung dokumentiert auf deutlichste Weise, welchen Respekt wir Menschen dem Tier als Teil der Schöpfung entgegenbringen. Praktisch keinen, wenn es nicht gerade um unsere liebsten Haustiere geht. Es ist jegliches Maß verloren gegangen. Nutztiere sind nur noch bedauernswertes Produkt einer profitorientierten Industrie während Haustiere wiederum „Zielgruppe“ einer anderen, stetig wachsenden Industrie geworden sind, die mit dem Konzept der Vermenschlichung ihre Umsätze in die Höhe treibt. Wenn ich an das heutige Warenangebot von Haustiernahrung denke und dann noch überlege, dass in der Welt sekündlich Menschen an Unterernährung sterben, wird mir schlecht. Warum duldet die Menschheit so etwas? Ich kann und will das nicht begreifen. Mir ist das zu hoch! Zählt denn nur das eigene Wohlergehen, egal welchen Preis andere Menschen und Kreaturen für unser Schwelgen im Wohlstand zahlen müssen? Wo ist das Gleichgewicht, die Ausgewogenheit, wo unsere empathische Fähigkeit? Wir haben ein System erschaffen, in dem allmächtige Wirtschaftskonzerne über Wohl und Wehe von Mensch, Tier und Umwelt entscheiden und sich dabei ausschließlich von finanziellen Motiven leiten lassen, ein System, in dem Politiker mehr Handlanger von deren Interessen sind, als Vertreter von denen, die sie gewählt haben. Und wir, die Bürger, lassen uns klaglos zu Marionetten machen, indem wir brav konsumieren und uns den Mechanismen der großen Märkte beugen. Mag ja bequem sein, so lange es gut geht, aber wird auf Dauer ganz sicher keinen Bestand haben, da es gegen alles Natürliche gerichtet ist und somit auch nicht Gottes Willen entsprechen kann. Schauen wir mal, wo es uns hinführt… .
Vorbei war’s mit dem Hochgefühl der ersten Stunden. Ohnmacht übermannte mich. Ein wenig schöner Streckenverlauf entlang der Straße sorgte für den passenden Rahmen meiner gesteigerten Wut. Was kann ich tun? Diese Frage stelle ich mir und fühle mich überfordert, sie zu beantworten. Als winziger Wurm, der ich bin, ist mein persönlicher Beitrag so verschwindend gering. Nur eine Bewegung im Großen wäre in der Lage, Grundlegendes zu ändern. Ich fürchte allerdings, dafür fehlt das Interesse, der Wille und ein gewisses Maß an Leidensdruck. Wir Menschen tragen zu sehr an unseren eigenen Päckchen, vergessen darüber hinaus das kritische Hinterfragen von Abläufen, die uns scheinbar nicht betreffen. Bald werde ich zuhause sein, und vermutlich wird es nicht lange dauern, bis auch mich der Alltag wieder so vereinnahmt, dass ich mein Gewissen mit ein paar Kinderpatenschaften zu beruhigen versuche und mich damit abfinde, dass es nun mal keine Gerechtigkeit auf der Welt gibt. Nein!! Das wird nicht passieren!! Ich denke schon, dass sich gewisse Einsichten und angestoßene Denkprozesse in meinem zukünftigen Handeln wiederfinden werden. Das reicht zwar nicht für eine Veränderung im Großen, aber wo, wenn nicht bei mir selbst soll ich sonst anfangen? Und vielleicht gelange ich irgendwann ja dabei noch zu höheren Einsichten und beiße mir in meiner Unwissenheit an den wirklich großen Fragen nicht mehr alle Zähne aus.
Hinter Hospital da Cruz wurde der Streckenverlauf wieder attraktiver. Nicht mehr spektakulär, aber eben nett. Langgestreckte Hochebenen erlaubten gute Aussichten. Es gelang mir langsam, meine emotionale Aufgewühltheit zu regulieren. Der Blick auf und über Galizien beruhigte. Ich glaube schon jetzt sagen zu können, dass es einer der einzigartigsten Abschnitte auf dem Camino ist. Ist es auch der schönste? Das wage ich nicht zu sagen, dafür gab es einfach zu viele schöne Passagen.
Beinahe täglich nimmt die Zahl der spanischen Kurzwanderer zu. An den kleinen Pausenstationen zwischendurch tummelten sich heute teilweise Menschenmengen von 30 und mehr „Pilgern“. Stören tut es mich nicht (mehr) wirklich. Es ist nun mal ihr Weg. In Palas de Rei, einer wirklich hässlichen Stadt „erwartete“ mich Ela. Sie war heute extrem gemütlich unterwegs und hatte tatsächlich damit gerechnet, dass sie mich hier wiedertreffen würde. Die 4 km bis San Xiao gingen wir gemeinsam und sahen vor der dortigen Albergue zu unser beider Überraschung Jos sitzen. Der musste für seine Verhältnisse an den letzten
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