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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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hatten wir ohnehin keine getroffen. Als ich aufbrach, schwebte ich mehr, als dass ich wanderte, so federleicht fühlte ich mich. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit durchströmte mich und verlieh mir eine Form von Zufriedenheit, die sich nicht beschreiben, nur empfinden lässt – wunderbar!
     
    Joachim holte ich schon nach einer ¾ Stunde ein, da er durch die geöffnete Pforte der Kapelle von Littorf-Rehlingen dem Kommunionsgottesdienst beiwohnte. Ich gesellte mich für ein paar Minuten dazu, verstand aber kaum etwas von dem, was der Pfarrer sagte. Mit den Ritualen vor dem Altar, die sich von unserem Stehplatz erahnen ließen, konnte ich ohnehin nichts anfangen und so setzte ich meinen Weg nach dem „Vater unser“ fort.
     
    Bei schönstem Sommerwetter genoss ich die sanft wellige Landschaft mit seinen leuchtenden Rapsfeldern, Wäldern und Weiden – Kalenderblattidylle! Einzig eine Reihe von Windkraftanlagen „störten“ dann und wann das harmonische Bild. In den ausnahmslos kleinen Dörfern, die ich durchschritt, hatten sich die Leute für die vielen Kommunionsfeiern fein rausgeputzt und schlürften teils genüsslich, teils gelangweilt aus ihren Sektgläsern. Bei manchen Blicken, die mir entgegengebracht wurden, sah ich förmlich die großen Fragezeichen auf der Stirn. Mich würde mal interessieren, wie viele der Einheimischen wissen, dass hier eine der bedeutendsten Pilgerrouten der westlichen Welt quasi vor ihrer eigenen Haustür entlang führt.
     
    Überhaupt ist es interessant, den Leuten, die einen beobachten, etwas genauer ins Gesicht zu sehen. Ich mache das schon seit ein paar Tagen und stelle die unterschiedlichsten Reaktionen fest. Ein Großteil ist sehr nett und grüßt freundlich zurück, viele sind teilnahmslos und „leer“, einige wenige sind richtig unfreundlich und eine noch kleinere Anzahl ist neugierig und spricht mich direkt an. Manche Leute scheinen zu denken, „Was ist denn das für ein Verirrter…? “ oder so ähnlich. Wenn die wüssten, wie schön Pilgern sein kann. An dieser Einschätzung ändern auch meine bisher weniger guten Tage nichts.
     
    Mein Reiseführer empfiehlt einen Abstecher nach Kirf, u. a. wegen der großen Sandsteinkirche. Für mich lohnte er sich in erster Linie wegen des erfrischenden Brunnens in der Dorfmitte und dem freundlichen Angebot eines Anwohners, mir meine Wasserflasche aufzufüllen. Den beschriebenen Sehenswürdigkeiten des Ortes schenkte ich kaum Beachtung, da sie für mich keine Sehenswürdigkeiten waren. Das ist dann wohl doch eher etwas für jene Zeitgenossen, die von  Heimatgeschichte nicht genug bekommen können. Für mich wesentlich attraktiver war kurz hinter Kirf ein schattiges Plätzchen neben einem alten Wegekreuz, wo ich ein ausgedehntes Päuschen einlegen konnte. Es dauerte gar nicht lange, bis auch Joachim vorbeikam. Er hatte noch am Abendmahl des Gottesdienstes teilgenommen, erzählte er mir. Wir unterhielten uns nur kurz und machten ein paar Fotos. Joachim hatte schon kurz vor Kirf eine Pause gemacht und wollte nun weitergehen. Wir würden uns wahrscheinlich eh‘ noch mal über den Weg laufen, dessen war ich mir ziemlich sicher.
     
    So war es! Schon recht schnell schloss ich zu ihm auf, da er um einiges langsamer unterwegs war als ich. Er hatte mittlerweile arg mit einer Blase zu kämpfen. Wer könnte das besser nachfühlen als ich? Für einen Kilometer drosselte ich meinen Schritt und wir unterhielten uns über mehr oder weniger belanglose Dinge, bevor ich zu meinem normalen Tempo zurückkehrte. Fortan folgten wir beide unserem eigenen Rhythmus. Bis Borg blieb es unverändert schön, wenngleich das emotionale Hoch inzwischen durch aufkommende körperliche Ermüdung an Wirkung verlor. Als hinter Borg auch die Füße wieder durch Schmerzen auf sich aufmerksam machten, war es mit dem Genuss endgültig vorbei. Kein Höhepunkt währt eben ewig! Ich machte etwas völlig beklopptes und fing an, mit meinen Füßen zu reden. Ich sagte, sie sollen die paar Kilometer noch durchhalten und versprach ihnen für morgen einen Ruhetag. Sie nahmen das mit Wohlwollen zur Kenntnis und trugen mich dafür ohne weiteres Murren bis nach Perl. Natürlich spielte sich das alles im Kopf ab, aber es zeigte die gewünschte Wirkung, und nur darauf kommt es doch an. Die Macht der Psychologie... !
     
    Als ich durch die von Weinbergen geprägte Landschaft in Richtung Perl marschierte, war meine einzige „Sorge“, kein gescheites Zimmer zu finden. Mein Reiseführer

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