Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
hat hier nicht eine Unterkunft deklariert. Zur Not hätte ich halt bis Schengen weiter gemusst und zwei Nächte in Luxemburg verbracht. Dort soll es sogar so etwas wie eine Pilgerherberge geben. Als ich nach Perl hinab schritt, sah ich auf der anderen Moselseite bereits Luxemburg und Frankreich. Damit war endgültig klar, der deutsche Teil meines Pilgerwegs liegt nun praktisch hinter mir. Werde mich morgen damit beschäftigen, das zu verarbeiten und mich gedanklich auf Frankreich vorzubereiten.
In Perl angekommen, rief mir eine ältere Dame vom Balkon ihres Hauses zu, ich solle auf sie warten, sie käme runter an die Tür. Keine Ahnung, was sie von mir wollte, aber natürlich wartete ich, bis sie die Haustür öffnete. Das stilisierte Muschelsymbol an der Hauswand ließ mich hoffen, dass hier meine Zimmersuche enden könnte. Nachdem die Dame mich begrüßte, fragte sie ganz besorgt, wo ich denn gestern gewesen sei. Sie hätte Angst gehabt, dass mir etwas passiert sein könnte. Ich verstand nur Bahnhof und erklärte der Dame, dass sie mich anscheinend mit jemand anderem verwechselte. Tatsächlich hatte für gestern ein Pilger ein Zimmer bei ihr reserviert und sich bisher nicht wieder gemeldet. Die Sorgen der rüstigen Seniorin konnte ich zwar nicht zerstreuen, aber dafür bot sie mir das Zimmer an. Und ich habe Glück, kann sogar wie gewünscht 2 Nächte bei ihr bleiben, da erst für Dienstag wieder eine Reservierung vorliegt. Bingo!!
Die Dame hat ein riesengroßes Herz für Pilger und lässt mir das Zimmer zu einem absoluten Sonderpreis. Sie bestand darauf, mir die Wäsche zu waschen und für meine erste Nacht in Frankreich will sie mir sogar ein Zimmer organisieren. Ich kann mein Glück kaum fassen! Oder ist das alles gar kein Glück? Egal, ich lasse es sein, was es ist und freue mich einfach!
Beim Beziehen des Bettes erzählte mir meine Gastgeberin sichtlich bewegt von ihrem Besuch des Vatikans und dem Papst-Geburtstag letzte Woche, dem sie beiwohnen durfte. Ihre Augen glänzten dabei. Das muss ein großes Erlebnis für sie gewesen sein. Sie selbst strahlt eine Menge Wärme aus. Da sie mir alle „Arbeit“ abnahm, ich nach dem Duschen wieder ziemlich fit war und draußen noch schönster Sonnenschein herrschte, nutzte ich die restlichen Stunden des Tages für einen kleinen Rundgang durch den Ort, meinem vorletzten Weißbier für lange Zeit (das letzte gibt’s morgen!) und ein sättigendes Abendessen in der Dorfpizzeria. Mehr war nicht nötig, um eine ordentliche Bettschwere zu erlangen.
Manche Dinge regeln sich scheinbar von selbst! Mehr und mehr setzt sich bei mir die Erkenntnis durch, dass ich gar nicht viel tun muss, um zu bekommen, was mir gut tut. Ich spüre wachsendes Vertrauen, weiß, ich bin nicht alleine. Mit diesem ungemein behaglichen Gefühl krieche ich jetzt in mein frisch bezogenes Schlafgemach. Morgen ist Ruhetag! Ich freue mich - und meine Füße erst… !
Joachim habe ich übrigens nicht mehr gesehen. Ich vermute, dass er in Borg Station gemacht hat und sich die zähe Strecke bis Perl nicht mehr zumuten wollte.
So schön kann Frühling sein…
Tag 12, Perl Ruhetag
Wie schön es ist, ein Faultier zu sein! Bis 9 Uhr habe ich geratzt, tief und fest! Aufgestanden bin ich nur, weil so ein schöner Kaffeeduft meine Nase betörte. Am Frühstückstisch wurde ich betüddelt, als wäre ich das Lieblingsenkelkind der Dame. Sie sorgte wirklich für alles und brachte mir extra einen prall gefüllten Korb voll Brot, damit ich mir genügend Kniften für den Tag schmieren konnte. Ich solle bloß ordentlich essen, damit ich nicht vom Fleisch abfalle, wies sie mich in ihrer fürsorglichen Art an. Nicht verstehen wollte sie, dass ich partout keine Wurst esse, da ich nun mal Vegetarier bin. Ich solle doch mal eine Ausnahme machen, schließlich brauche ich Kraft und Energie, versuchte sie mich umzustimmen. Aber in diesem Punkt blieb ich konsequent. Grund genug für sie, heute noch ein paar Sorten Käse zu kaufen, damit ich morgen früh nicht nur Gouda essen „muss“. Diese Frau ist so wahnsinnig lieb, ihre Gastfreundschaft berührt mich sehr.
Im Anschluss an das wunderbare Frühstück habe ich mich im örtlichen Aldi mit neuen Müsliriegeln, Magnesiumpulver und Vitamintabletten eingedeckt, um für die ersten Tage in Frankreich wenigstens ein paar Basics dabeizuhaben. Grob geschätzt, kam weit mehr als 50% der Kundschaft aus dem
Weitere Kostenlose Bücher