Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Fährte bringen würde, so meine L ogik. Tatsächlich erreichte ich nach knapp einer halben Stunde einen Waldweg und folgte ihm in der Hoffnung, dass ich nun auf dem gewünschten Kurs war. Pustekuchen! Nix war‘s! Kaum einen Kilometer weiter stand ich vor einer Weggabelung mit sage und schreibe 5 Abzweigungen, 3 davon führten in Richtung Süden. Tolle Wurst! Markierungen oder sonstige Hinweise waren natürlich Fehlanzeige! Also ab durch die Mitte! Und - wieder nicht richtig! Nach rund 3 Kilometern war der Weg plötzlich zu Ende, einfach so! Nichts weiter, keine Spuren oder sonst was war noch zu erkennen. Ich musste zwangsläufig an meinen gestrigen Tagtraum denken. Sollte ich mich schon an meinem ersten Tag in Frankreich hoffnungslos verfransen? Bitte nicht! Zumindest lag kein Gewitter in der Luft.
Trotz allem, den ganzen Weg retour gehen kam gar nicht in Frage! Getreu dem alten Pilgermotto „Niemals zurück, immer voran!“ ging ich querfeldein weiter, stur die Richtung beibehaltend. Irgendwann musste ja mal etwas Markantes zur Orientierung kommen. Nachdem ich ein Stück mit dichtem, flachen Buschwerk und losem Geäst hinter mir gelassen hatte, sah ich etwas oberhalb von mir eine Lichtung. Da musste ich hin! Also hinauf und gucken, was dort war. Ich gelangte an ein größeres Feld und sah viel weiter im Hintergrund Häuser. Ein Silberstreif! Hauptsache erst mal raus aus dem Wald. Über die Äcker, Weiden und Felder lief ich in Richtung Siedlung. Gut, dass mich der Eigentümer nicht gesehen hat, wahrscheinlich hätte er, drohend seine Mistforke schwingend, umgehend die Jagd auf mich aufgenommen. Wer weiß, wofür er mich gehalten hätte. Ich blieb unbeobachtet und erreichte schließlich die Teerstraße, nachdem ich noch ein paar Zäune zu übersteigen hatte. Gespannt ging ich in Richtung Ortsschild. Strike! Hoch erfreut stellte ich fest, dass ich mich in Freching befand, einem Ort, der in meinem Reiseführer Erwähnung findet. Ich war wieder auf Kurs. Keine Ahnung, wie groß der Umweg war, den ich bis dorthin gegangen bin. Aber das war mir so was von egal… !
Von Freching war es zunächst einfach, da der Weg bis Lemestroff einer kaum befahrenen Straße folgte. Durchatmen! Ich ließ den Blick über die waldreiche Landschaft Lothringens schweifen und hoffte, dass der Tag keine weiteren Hürden aufbauen würde. Eine gewagte Hoffnung! Schon kurz hinter Lemestroff musste ich feststellen, dass die Beschreibung in meinem Handbuch erneut höchst missverständlich ist. Bevor ich mich wieder für einen falschen Weg entschied, ging ich zu dem letzten Bauernhof des Ortes, um Rat einzuholen. Sofort sah ich mich von 3 Respekt einflößenden Hunden eingekreist, die mich mit gefletschten Zähnen anbellten. Ein Dobermann und 2 Rottweiler. Ich blieb ganz ruhig stehen. Glücklicherweise beließen sie es bei Drohgebärden, und als der Bauer aus einem der großen Ställe auf mich zukam, verzogen sie sich auf der Stelle. Ich hatte Glück, denn der Mann sprach etwas deutsch und konnte mir erklären, wie ich zu gehen habe. Der Weg zum Hackenberg führte mich über eine alte Festungsanlage aus der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen. Zahlreiche Gräben, Bunker und Einschusslöcher, dazu unzählige Stellungen mit gewaltigen Kanonenrohren zeugen dort von einer lebhaften militärischen Vergangenheit. Die Wege waren teilweise zugewuchert und nicht mehr als solche zu erkennen. Kein Wunder, dass ich einige Ehrenrunden drehen musste, bevor ich am höchsten Punkt anlangte.
Ziemlich platt von dem am Ende sehr steilen Anstieg bei wieder einmal hochsommerlichen Temperaturen fand ich dort ein ideales Plätzchen für meine erste richtige Pause des Tages. Eine grandiose Aussicht über die weite Hügellandschaft belohnte mich für die Anstrengungen. In einiger Entfernung sah ich die 4 Kühltürme des umstrittenen Kernkraftwerks von Cattenom. Scheinbar völlig harmlos stieg der weiße Wasserdampf säulenförmig in die Luft. Zwischen stark verwitterten Kriegsgräbern des alten Soldatenfriedhofs und der optisch deplatzierten Kapelle ließ ich mich nieder und schob mir meine Stullen in den Hals, Stärkung für den Weitermarsch. Bis Kédange-sur-Canner war es noch ein ordentliches Stück und ich hatte keine Ahnung wie leicht oder schwer der Weg bis dahin noch werden würde. Eine gewisse Unruhe war es denn auch, die mich nach einer halben Stunde antrieb, meine Rast zu beenden. Gleichwohl war ich inzwischen gelassen genug, dass ich nicht daran
Weitere Kostenlose Bücher