Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Teilstück vorwiegend aus großen Industrieanlagen. Um mich abzureagieren, belegte ich die rücksichtslosesten Fahrer mit wilden Flüchen. Es half nur bedingt, ich wünschte mich in diesen Momenten sehnlichst in die beschauliche Eifel zurück. Jede kleine Haltebucht nutzte ich zum Durchatmen und zählte die Kilometer bis nach Metz hinein. In einer der Haltebuchten „grüßte“ mich ein ABUS-Kran auf einem Hänger, der dort auf den Weitertransport wartete. Keine Ahnung, wie oft ich in den letzten Jahren im Rahmen meines Jobs in dieser Firma zu Besuch war. Termine der angenehmeren Art. Hatte jedoch keine Lust, mich weiter damit zu beschäftigen, ich wollte nur noch ankommen. Auch die Sonne empfand ich als besonders erbarmungslos. Aber es nützte alles nichts, wütend setzte ich meinen Weg fort und erreichte irgendwann endlich den Ortseingang von Metz. Dort gab es Gott sei Dank Bürgersteige, was das Weiterlaufen deutlich entspannter machte. Als Unterkunft hatte ich mir eine der beiden örtlichen Jugendherbergen ausgesucht und stellte an der ersten öffentlichen Stadtkarte erfreut fest, dass ich instinktiv die richtige Richtung eingeschlagen hatte, der Straße nur weiter folgen musste, um anzukommen.
Als ich um 15:30 Uhr vor der Tür stand, durchströmte mich so etwas wie ein Glücksgefühl, war ich doch wenigstens gut in der Zeit. Dadurch hätte ich Gelegenheit, den Nachmittag für eine ausführliche Stadtbesichtigung zu nutzen, wenn ich erst mal vom Staub befreit bin, dachte ich! Aber Pustekuchen, sofort wurde ich auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Genau das Gegenteil von Gastfreundschaft war es, was meinen Kamm anschwellen ließ, gewaltig sogar! Die Jugendherberge war geschlossen, ein Bewohner ließ mich jedoch herein. Drinnen war es der Leiter persönlich, der mich umgehend wieder herausbeförderte. Nicht dass kein Platz mehr frei gewesen wäre, nein, das Büro sei erst um 17 Uhr wieder geöffnet, entgegnete mir der Chef unfreundlich. Auf meine Bitte, wenigstens im Garten auf einer der zahlreichen Bänke warten zu können, bekam ich nur schroff erwidert, dass das nicht möglich sei, da gerade geputzt würde. Ich hätte kotzen können, so was Bescheuertes habe ich ja noch gar nicht gehört. Ob sie den Rasen putzen wollen, fragte ich sarkastisch. Es nützte nichts, ich musste wieder raus und stand einen Moment später erneut vor der verschlossenen Tür. Eine Bank gab es nicht, nur einen Parkplatz, pralle Sonne und die Hauptstraße, über die sich eine laute, stinkende Blechlawine schob. Ich war am Kochen! Auf der anderen Seite des Gebäudes hätte ich direkt am grünen Moselufer unter Schatten spendenden Bäumen sitzen können. Eine andere Unterkunft zu suchen, darauf hatte ich definitiv auch keinen Nerv mehr, also pflanzte ich mich auf den heißen Asphalt und begann mich damit abzufinden, dass ich so die nächsten knapp 1,5 Stunden zu warten hatte. Für den Jugendherbergsleiter, der ein halbes Dutzend Mal zwischen Haus und Auto hin und her lief, hatte ich nur einen verächtlichen Blick übrig. Am liebsten wäre ich diesem arroganten Scheißkerl an den Kragen gegangen, aber ich wusste mich zu beherrschen, schließlich wollte ich nicht riskieren, gar kein Zimmer mehr zu bekommen. Ich traute ihm auch zu, dass er mir um 17 Uhr mit höhnischem Grinsen gesagt hätte, dass alle Betten belegt sind. Dann weiß ich allerdings nicht, was ich mit meinem Pilgerstab gemacht hätte - Massive Eiche, garantiert schlagfest und sicher hervorragend geeignet, blöde Visagen zu polieren! Nein, weiter führe ich das jetzt nicht aus, ich hatte und habe nicht vor, auf dem Camino zum Gewalttäter zu mutieren. Trotzdem, meinen Wortschatz an richtig boshaften Schimpfwörtern hat diese Begegnung spielend erweitert.
Ganz nebenbei ist es dieser Kreatur gelungen, in kürzester Zeit mein gerade erst erworbenes positives Frankreichbild über den Haufen zu schmeißen. Was hat so ein Penner eigentlich in einer Gästeeinrichtung zu suchen, fragte ich mich, während ich auf dem Boden saß und wartete. Nichts, wie ich finde! Je länger ich saß, desto mehr schaffte ich es, wieder ein bisschen runterzufahren, direkt an der Hauswand bekam ich nun auch Schatten. Ich relativierte meine bösen Gedanken und Pauschalverurteilungen in Richtung Franzosen, weil ich all den netten Menschen, denen ich bereits begegnet bin und all jenen, die mir auf meinem weiteren Weg hoffentlich noch begegnen werden, nicht unrecht tun will. Stinkstiefel
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