Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
zweifelte, mein Tagesziel zu erreichen... .
Es blieb anstrengend, aber nur wegen der Hitze. Nach dem Ort Veckring wiesen mir Schilder den Weg und ich musste nicht mehr auf meinen Reiseführer zurückgreifen. Ich durchstreifte noch einige Dörfer, die allerdings keiner besonderen Erwähnung bedürfen, und war froh, als ich gegen 18 Uhr endlich Kédange erreichte. Nun „nur“ noch ein Zimmer finden! Es gibt zwar ein Hotel, aber dort war nichts zu machen. Alles belegt, so sagte man mir. Oder wollte man einfach keinen schwitzenden, stinkenden Pilger aufnehmen? Wer weiß!? Jedenfalls ging ich weiter zu einer Kneipe, um dort nach Alternativen zu fragen. Der Wirt gab mir, auf Deutsch, zu verstehen, dass es schlecht aussehen würde, außer dem Hotel hat der schmucklose Ort keine Fremdenzimmer zu bieten. „Gehen sie doch mal zum Pastor“, bedeutete er mir, „der wohnt nur ein paar Häuser weiter und wird doch sicher ein Herz für Pilger haben“. Natürlich klammerte ich mich an diesen Strohhalm und fand nach kurzem Suchen das unscheinbare Haus. Endlich, nach dem 3. Klingeln, öffnete mir ein kleiner, rundlicher Mann schwarzafrikanischer Herkunft die Tür und bat mich mit einem freundlichen Lächeln direkt herein. Ich begleitete ihn in sein Büro, wo er mir wie selbstverständlich einen Stempel in meinen Pilgerpass drückte. Er dachte wohl, dass das der ausschließliche Grund meines Kommens war, da er mich im Anschluss gleich wieder zur Haustür führte. Zeit, meinen „gewaltigen“, eine Hand voll Wörter umfassenden französischen Wortschatz, zu bemühen. Mit den Worten „chambre“ und „dormir“ verlieh ich meinem wahren Anliegen Ausdruck. Ohne sein gleichbleibend mildes Lächeln zu verlieren, führte mich der kleine Pfarrer sofort und kommentarlos in ein Zimmer mit Bett und Stuhl. „Voilà“, signalisierte er mir, dies sei meine Bleibe für die kommende Nacht. Glücklich und überschwänglich bedankte ich mich in einem französisch-englischen Kauderwelsch für seine Gastfreundschaft, bevor ich mich erleichtert auf das weiche Bett fallen lassen durfte. Alles gut! Der Pfarrer hatte ein prima Gespür und ließ mich zunächst eine Weile alleine verschnaufen, bevor er mir sein Haus und das Bad zeigte. Er wohnt sehr einfach, nur sein Büro ist mit top-modernem Equipment bestückt. Er selbst strahlt ohne viele Worte eine unglaubliche Wärme und Freundlichkeit aus. Als er mich einlud, mit ihm zu Abend zu essen, war ich wirklich gerührt, fand nur leider nicht die passenden Worte, ihm meinen Dank auszusprechen. Er versteht nur französisch... .
Es ist ein richtig gemütlicher Abend geworden, das Essen war höchst schmackhaft. Danach tranken wir in entspannter Atmosphäre einen guten Tropfen Wein, und es gelang uns trotz aller Sprachbarrieren sogar, unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen eine ganz passable Unterhaltung zu führen. Mein kleiner Hexaglot-Übersetzer leistete dabei nicht unerhebliche Dienste. Kurzum, irgendwie geht’s immer! Ich erfuhr von dem Pfarrer, dass er ursprünglich aus Togo kommt, vor 5 Jahren nach Frankreich gezogen ist und seit 2 Jahren in Kédange tätig ist. Der Rest seiner Familie, davon 5 Geschwister, lebt nach wie vor in Togo. Er war das letzte Mal vor ein paar Monaten dort, um seinen Vater zu Grabe zu tragen, der 85-jährig verstorben ist. Ich erzählte ihm natürlich von meiner Familie und dem Vorhaben, den Jakobsweg an einem Stück zu laufen. Er sagte mir, dass ich von nun an sicher sein kann, dass mich seine guten Wünsche und Gottes Segen auf meinem weiteren Weg begleiten werden. Wird mir sicher nicht schaden… .
Der Pfarrer ist eine echte Frohnatur, total locker, und er scheint für sein Leben gern zu lachen. Mir tut seine Gesellschaft richtig gut, vielleicht ja umgekehrt ihm auch meine?!
Später am Abend musste er das Haus verlassen. Er hat zu arbeiten, wie er mir sagte, wahrscheinlich so etwas wie Kirchenkreis. Als großer Fußballfan machte er mir vorher den Fernseher an, da in der Champions League Manchester United gegen den AC Mailand spielt. Ich bin beeindruckt, welches Vertrauen er mir als wildfremder Person entgegenbringt. Alle Türen zu seinen Privaträumen stehen mir auch während seiner Abwesenheit offen, und selbstverständlich darf ich mich am Kühlschrank bedienen, wenn ich noch etwas trinken möchte. Wahrscheinlich ist dieses Vertrauen gegenüber einem Jakobspilger für ihn normal, für mich ist es das nicht. Ganz sicher werde ich diesen ersten
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