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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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gibt es schließlich überall!
    Ich hoffte darauf, endgültig wieder mild gestimmt zu sein, wenn ich mir erst mal Dreck, Staub, Schweiß und damit auch den Ärger abgeduscht haben würde. Schließlich wollte ich mich noch etwas auf die Altstadt von Metz freuen, die mir als sehr schön angekündigt wurde. Wäre doch schade, wenn ich den Tag wegen so einem arroganten Sack mit Groll beschließen würde, hörte ich mich mit mir selbst sprechen.
     
    Um Punkt 17 Uhr wurde die Tür geöffnet und ich durfte das Haus betreten. Mit aufgesetztem Lächeln wurde ich bedient und bekam meine Zimmerschlüssel ausgehändigt. Angesichts der schlecht gespielten Freundlichkeit konnte ich mir das Grinsen kaum verkneifen, das hatte beinahe etwas von Realsatire. Aber ich hatte mein Gleichgewicht längst wiedererlangt und ließ mir nichts mehr anmerken. Ich war froh, endlich meinen Ballast abwerfen zu können.
     
    Ich bin in einem 6-Bett-Zimmer untergebracht, kurz nach mir zog ein Amerikaner ein, vielleicht 65 Jahre alt. Es entwickelte sich schnell ein angeregtes Gespräch, der Mann ist enorm erzählfreudig. Er kommt aus Washington und sieht mit seinem Rauschebart und den langen zu einem Zopf gebundenen grauen Haaren unter einem Cowboyhut reichlich verwegen aus. Erst vor ein paar Tagen ist er in Frankreich angekommen und bereist das Land für 2 ½ Monate mit dem Zug, allein einen Monat will er in Paris bleiben. Wie er sagt, hat er auf diese Art schon einige europäische Länder bereist. Scheint ein interessanter Kerl zu sein… .
     
    Nach meiner Dusche, die ich lange nicht mehr so herbeigesehnt und genossen habe wie heute, machte ich mich auf den Weg in die Altstadt und war spätestens dort wieder versöhnt. Es war wirklich schön. Das französische Flair, oder was auch immer es war, ließ mich vollends entspannen. Viele enge Gassen, ein großer Marktplatz mit unzähligen Bistros und Straßencafés, mittendrin die Mosel, verleihen Metz eine gute Portion Charme. Besonders sehenswert ist die gewaltige Kathedrale mit seinen unglaublichen Fenstermalereien. Fast ganz allein war ich in dem riesigen Bauwerk und ließ mich gern von der besonderen Atmosphäre gefangen nehmen. Außerdem war es angenehm kühl. Eine ¾ Stunde hielt ich mich in dem Gotteshaus auf und kam nach meiner emotionalen Achterbahnfahrt des Tages vollends zur Ruhe. Genau der richtige Ort, etwas Besinnung zu finden und Frieden mit dem vorher noch verhassten Leiter der Jugendherberge zu schließen. Ich nahm mir vor, derartig hässliche Gefühlsregungen erst gar nicht mehr zuzulassen. Aggressionen sind niemals ein guter Ratgeber!
     
    So verließ ich die Kathedrale wunderbar aufgeräumt und suchte mir anschließend ein Restaurant am Rande des Marktplatzes, wo ich eine provenzalische Pizza serviert bekam - köstlich! Danach erfreute ich mich noch eine Weile an den Leuten, die an mir vorbei flanierten. Sehen und gesehen werden, schien mir das Motto zu sein, unter dem sich junge wie alte Menschen durch die Gassen bewegten. Als ich auf meinem Rückweg entlang der im späten Sonnenlicht romantisch schimmernden Mosel an einigen verliebten Pärchen vorbeikam, stieg fast so etwas wie Melancholie in mir auf. Ich musste an Wiebke denken. Noch so verdammt lang wird es dauern, bis ich sie wiedersehen werde. Gerade in diesem Moment wurde mir das sehr bewusst. Nichtsdestotrotz kehrte ich bei einsetzender Dunkelheit mit einem guten Gefühl zur Jugendherberge zurück. Ein Bedürfnis, länger in der Stadt zu bleiben, verspüre ich nicht. Großstadtleben ist im Moment einfach nichts für mich. Die Reizüberflutung, die von den vielen Läden und Kaufhäusern ausgeht, stört mich sogar, alles dreht sich nur um den Konsum. Gekaufte „Freude“, oberflächlich und meist nur von kurzer Dauer. Nein, so etwas will in mir einfach kein Verlangen (mehr) entfachen!
     
    Im Garten der Jugendherberge traf ich überraschend auf Joachim, der übrigens auch in „meinem“ Zimmer ein Bett bezogen hat. Er ist bereits seit gestern in Metz und hat sich heute eine Auszeit gegönnt. Vorgestern hat er sich irgendwo in den Festungsanlagen von Hackenberg verfranst und sich bei einsetzender Dunkelheit entschlossen, dort im Freien zu schlafen. Es war toll, wie er sagt, bei absoluter Dunkelheit unter einem atemberaubenden Sternenhimmel zu schlafen und sich eins mit der Natur zu fühlen. Nur die ungewohnten Geräusche zahlreicher nachtaktiver Tiere haben ihn hin und wieder aus dem Schlaf gerissen. Wer weiß, vielleicht

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