Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
ich abermals den Hang
hinauf geführt wurde. Dort erfreuten zunächst R apsfelder und später ein langer unberührter Laubwald meine Sinne. Es machte irre viel Spaß, hier zu wandern! Am Bahnhof von Vandières traf ich auf ein Pilgerehepaar aus Saarbrücken, sie vielleicht Anfang, er Ende 50. Auch die beiden wollen den Weg nach Santiago nonstop zurücklegen, Gleichgesinnte also. In Vandières spielten sie allerdings mit dem Gedanken, die noch verbleibenden 8 km des Tages mit dem Zug zu fahren, da sie ihr Tagespensum bereits ordentlich geschlaucht hatte. Sie waren am Morgen in Gorze gestartet und ärgerten sich sehr, diesen Umweg gegangen zu sein. Ihrer Meinung nach war er die Mühen nicht wert, die ehemalige Benediktinerabtei rechtfertigte den Abstecher jedenfalls nicht. Prima, ich hatte also instinktiv die richtige Entscheidung getroffen.
Keine Ahnung, ob es an meinem Auftauchen lag, auf jeden Fall änderten die beiden ihren Plan und wollten nun auch weitermarschieren. Immerhin 2 Stunden hätten sie sonst auf den nächsten Zug warten müssen. Ob sie es bereuten, als es wieder mal recht steil bergauf ging, weiß ich nicht. Sie ließen mich ziehen, da ich ihnen deutlich zu schnell unterwegs war. Machte aber nix, ich bin inzwischen richtig gerne allein. Nach einer guten Stunde sah ich unterhalb des Hanges erstmals auf Pont-à- Mousson und musste nun nur noch bergab laufen. Dass es in dem Städtchen zunächst durch ein Industriegebiet ging, schmälerte meinen Gesamteindruck des heutigen Tages in keiner Weise. Vielmehr wurde mir schlagartig bewusst, wie gut ich’s habe. Kein Berufsalltag, kein klimatisiertes Büro in einem schäbigen Zweckbau, keine nervenden Vorgesetzten, keine schwachsinnigen Arbeitsanweisungen, keine Auswertungen, Analysen und Statistiken, kein scheinwichtiges, denaturiertes Spiel um Marktanteile, nichts! Ich bin frei! Nur pilgern, die Natur im Schritttempo genießen! Ja, es ist ein Privileg, das erleben zu dürfen. Was fehlt mir? Wiebke natürlich, die Familie und ein paar andere liebe Menschen, aber ansonsten hab ich alles. Ich gehe, esse, trinke, wasche abends meine verschwitzten Klamotten und schlafe, das isses! Mehr brauche ich nicht und bin glücklich dabei, auch wenn natürlich nicht jeder Tag so reibungslos verläuft wie heute, siehe gestern.
Es passte ins Bild, dass ich in Pont-à-Mousson direkt auf das Hotel zulief, welches in meinem Handbuch als das mit Abstand günstigste ausgewiesen ist. Allerdings gab der Inhaber den Übernachtungspreis deutlich höher an, als ich erwartet hatte – zu hoch für mich! Mein Versuch, ihn runterzuhandeln schlug zunächst fehl, aber ich versuchte es weiter, indem ich einen Dackelblick aufsetzte. Was soll ich sagen, ohne weitere Worte bekam ich das Zimmer nun doch deutlich günstiger angeboten, Frühstück gleich inklusive! Scheinbar beherrsche ich den Dackelblick ganz brauchbar. Gut zu wissen!
Obwohl ich heute rund 40 km zurückgelegt habe, war ich gar nicht müde. Sofort nach dem Duschen begab ich mich auf Erkundungstour in die Stadt. Ich wundere mich selbst, wie leichtfüßig ich noch auf den Beinen war. Pont-à-Mousson gefällt mir richtig gut. Ein nettes Stadtzentrum mit großem Plaza, umgeben von Altbauten mit schönen Arkadengängen, 3 ansehnliche Kirchen und mitten durch die Stadt verläuft malerisch die Mosel. Ich glaube, ich bin in Frankreich angekommen, zumal ich heute ausschließlich freundlichen Menschen begegnet bin. Während meines Stadtrundgangs kam mir das Pilgerehepaar aus Saarbrücken entgegen, noch in voller Montur. Sie waren gerade in Pont-à-Mousson eingetroffen und ordentlich geplättet, trotzdem froh, dass sie den schönen Schlussabschnitt noch zu Fuß bewältigt haben. Wir wechselten ein paar Worte, dann begaben sie sich zu ihrem Hotel, wo sie bereits ein Zimmer reserviert hatten. Ich orderte derweil eine Pizza und suchte mir anschließend eine Bank am Moselufer, wo ich die kulinarische Köstlichkeit genüsslich verspeisen konnte. Leben wie Gott in Frankreich - auf meine Art. Geschlagene 2 Stunden blieb ich sitzen, vor mir zogen ein paar stolze Schwäne ihre Bahnen während die Kirchtürme am anderen Ufer in das späte Licht der Sonne getaucht wurden. Ein Anblick, an dem ich mich gar nicht satt sehen mochte! Erst als gegen 21 Uhr die Dunkelheit einsetzte, begab ich mich langsam zum Hotel. Es war um diese Zeit immer noch über 20°C warm. Sommer im April! Mit einem Anruf bei Wiebke wird dieser wunderbare Tag nun
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