Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
komme ich ja auch noch in diesen Genuss exklusiven Übernachtens... .
Joachim ist übrigens mit dem gleichen Reiseführer unterwegs und teilt meine Meinung zu dessen Qualität. Ich brauche mir also keine Gedanken machen, dass Ich womöglich zu blöd bin, ihn richtig zu lesen. Das beruhigt doch ungemein... .
So ein Tag kann nicht zu Ende gehen, ohne ihn Revue passieren zu lassen. Schon unglaublich, wie schnell sich alles drehen und wenden kann, vor allem aber auch, wie stark einen die eigenen Gedanken und Emotionen beeinflussen. Der Weg konfrontiert mich ständig mit neuen Situationen und bildet mir hierbei die unterschiedlichsten Facetten des Lebens ab - ein ständiges Rauf und Runter! Dabei stehe ich erst ganz am Anfang. Ich glaube, nein ich weiß, da kommt sicher noch viel mehr auf mich zu in den nächsten Wochen bzw. Monaten... !
Rastplatz mit Aussicht (im Hintergrund AKW Cattenom)
Tag 15, Metz - Pont-à-Mousson 42 km
Der Tag begann mit einem „opulenten“ französischen Frühstück. Nach der 12. oder 13. Scheibe Baguettebrot mit Marmelade habe ich aufgehört zu essen. Satt wäre ich wahrscheinlich nach der 20. Scheibe nicht geworden. Michael (der verwegene Ami) und Joachim gesellten sich später zu mir an den Tisch. Nachdem etwa 100 französische Schulkinder den Speisesaal verlassen hatten und der Geräuschpegel dadurch drastisch nachließ, bestand für uns die Möglichkeit, noch etwas zu quatschen. In erster Linie hörten Joachim und ich Michael zu, der sich als völlig untypischer Amerikaner entpuppte. Er bezeichnet sich selbst als intellektuell. Allein das macht ihn in seinem Heimatland nach eigenen Angaben zum Außenseiter. In der Tat besitzt er ein breites Wissen, welches nicht an der amerikanischen Grenze endet. Im Gegenteil, er wirkte auf mich sehr weltoffen, dabei gebildet und sparte nicht mit Kritik am eigenen System. Besonders George W. Bush und seine Gefolgsleute sind ihm ein Dorn im Auge. Zusammenfassend gesagt hält er seinen Präsidenten für einen Versager. Meinem schlichten Einwurf, dass die USA ein schönes Land mit sehr gastfreundlichen Menschen sind, wollte er zwar nicht widersprechen, ärgerte sich andererseits aber über deren Oberflächlichkeit und Dummheit. Er genießt es immer sehr, nach Europa zu kommen und geriet während unseres Gesprächs angesichts der kulturellen Vielfalt regelrecht ins Schwärmen.
Nach einer guten Stunde trennten sich unsere Wege, Michael hatte ein Tag füllendes Programm in Metz auf seiner Agenda, während es für Joachim und mich hieß, den Camino fortzusetzen. Wir waren uns einig, den Weg aus der Stadt gemeinsam in Angriff zu nehmen, da dieser sich ein wenig kompliziert darzustellen schien. Zu unserer beider Überraschung gestaltete er sich jedoch als äußerst einfach und obendrein sehr angenehm, wahrscheinlich weil wir uns nicht an der Route des Reiseführers orientierten. Die erste Stunde folgten wir abseits vom Verkehr ausschließlich dem Verlauf der Mosel, danach war ich wieder allein. Joachim musste einen Gang zurückschalten, mein Tempo, obwohl deutlich gedrosselt, war ihm auf Dauer zu hoch. Wir verabschiedeten uns voneinander, weil wir beide sicher waren, uns nicht wieder zu sehen, zumal Joachim übermorgen bereits nach Deutschland zurückkehrt.
Als ich die Hauptstraße erreichte, überlegte ich kurz, ob ich den deutlich längeren Weg über Gorze, wo sich ein sehenswertes ehemaliges Kloster befinden soll, oder die immer nahe der Mosel verlaufende Strecke nehmen sollte. Nach meinen Erfahrungen der letzten beiden Tage beschloss ich, die Empfehlung des Reiseführers zu ignorieren und entschied mich für den direkten Weg, geschätzte 4 km kürzer.
Ich hatte Glück, denn ich befand mich sehr bald auf der Fernwanderroute Metz- Nancy, die hervorragend markiert ist, und an der ich mich für den Rest des Tages orientieren konnte. Und noch etwas: Ich war gut drauf, keine emotionalen Wechselbäder begleiteten mich und auch mein Körper präsentierte sich in einer prima Verfassung. Heute durfte ich das Pilgern einfach mal wieder genießen. Und das tat ich. Der Weg war kurzweilig und abwechslungsreich. Erst führte er mich hinauf auf einen Hang, an dem ich durch Obstplantagen und einigen hübschen Dörfchen den Hinweisen folgte, die Mosel dabei zu meiner Linken fast immer im Blickfeld. Später ging ich viele Kilometer auf einem schmalen Trampelpfad, der zwischen „Hauptmosel“ und einem Seitenarm verläuft, bevor
Weitere Kostenlose Bücher