Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
runterzuschalten. Seitdem hat er zwar deutlich weniger Geld, fühlt sich jedoch nach eigenen Angaben um ein vielfaches zufriedener und ausgeglichener… .
Wir saßen beinahe geschlagene 5 Stunden zusammen und leerten dabei so einige Gläser Bier. Keine Schweigeminute unterbrach unser aller Bedürfnis nach Kommunikation. Es tat einfach nur gut und ich spürte förmlich, wie sich neue Zuversicht in mir breit machte. Allein der Austausch, noch nicht einmal die Themen, bewirkten diese Veränderung. Genau das war es, was ich brauchte!
Als wir nach 23 Uhr die Bar verließen und zu unserer Villa zurückkehrten, hatten wir zwar nichts gegessen, aber das war uns allen egal. Das Reden war wichtiger. Auch für Iris, Friedbert und Peter. Morgen werden sich unsere Wege wieder trennen, da die 3 eine andere Route einschlagen werden. Ist aber nicht schlimm, wir haben uns heute getroffen! Das zählt und dafür bin ich dankbar!
Nun ist es bereits Mitternacht, Zeit schlafen zu gehen! Mein Optimismus ist zurück! Ich freue mich, sehr sogar! Wie schnell sich alles ändern kann… .
Das Quartier von Greux
Tag 19, Greux – Joinville 42 km
Das wichtigste vorweg: Ich fühlte mich gut nach dem Aufstehen, dazu erstaunlich ausgeschlafen. Konnte mich beim Blick aus dem Fenster sogar schon wieder an den blühenden Frühlingswiesen erfreuen. Die hatte ich gestern nicht einmal wahrgenommen. An meiner erfreulichen Gemütsverfassung änderte auch ein Frühstück im Mini-Format nichts. Musste mit ein paar Müsliriegeln nachhelfen, um halbwegs satt zu werden, schließlich hatte ich seit dem gestrigen Frühstück keine gescheite Mahlzeit mehr zu mir genommen. Nach einer Einkaufsmöglichkeit in der Nähe sah es leider auch nicht aus. Das Wetter meinte es gut. Es war komplett bewölkt, trocken und kühl. Ideal für einen langen Tagesmarsch. Ich hoffte inständig, dass mein linker Fuß mitspielen würde und diese fiese Blase mich nicht wieder massakriert… .
Bevor ich losmarschierte, verabschiedete ich mich von Iris, Friedbert und Peter. Ich bin immer noch total happy, dass ich sie getroffen habe. Ohne diese Begegnung wäre es mir heute sicherlich wesentlich schlechter gegangen, und ich habe keine Ahnung, wie ich mit dem Wissen, dass es bis zur nächsten Unterkunft 42 km waren, umgegangen wäre. Hätte ich die Tagesetappe überhaupt in Angriff genommen? Sei‘s drum! Fakt ist, dass ich mit ausreichend Zuversicht gestartet bin! Nach meinem Psycho-Loch der letzten beiden Tage ein kleines Wunder!
Der Weg führte zunächst über befestigte Sträßchen wenig anspruchsvoll durch die Natur. Keine Menschenseele war zu sehen und ganz selten mal ein Auto. In dieser dünn besiedelten Gegend schien ich fast allein unterwegs zu sein. Es lief ordentlich, ich saugte die Natur förmlich auf, fühlte mich okay. Langsam schien ich meine Balance wiederzufinden. Meine Gangart war zügig unter Anbetracht des vor mir liegenden Pensums, aber nicht zu schnell. Wollte und durfte heute nicht schon nach 30 km platt sein. Dann hätte ich ein Problem bekommen. Ein Wort zur Infrastruktur: Sie ist gegenwärtig alles andere als pilgerfreundlich. Es gibt kaum Quartiere, die wenigen sind gemessen an ihrem Standard völlig überteuert. An Herbergen ist schon mal gar nicht zu denken. Ich fürchte, mein Budget wird schon sehr früh reichlich strapaziert, wenn es so weitergeht. Ich hoffe, dass ich das später etwas kompensieren kann. Will aber darüber jetzt nicht jammern, ich hab’s mir ja selbst ausgesucht. Hätte schließlich wie die meisten anderen Pilger auch an der spanischen Grenze starten können... .
Musste zwischendurch an meinen Freund Paco im fernen Ghana denken, der so unendlich lange bei seinem künftigen Schwiegervater um dessen Tochter zu „kämpfen“ hatte, bis er endlich sein Einverständnis bekam. Seit ein paar Wochen hat er es nun und plant bestimmt schon eifrig die Hochzeitsfeier. Ich wünsche es ihm von Herzen. Er ist ein feiner Kerl, lebt trotz Arbeit selbst in sehr bescheidenen Verhältnissen und setzt sich dennoch total aufopferungsvoll für die vielen Kinder und Familien im Hilfsprojekt vor Ort ein.
Die Kilometer vergingen, ohne dass etwas Nennenswertes passierte, nur mein Hunger meldete sich immer deutlicher zu Wort. Mein Balg wollte Futter, daran ließ er keinen Zweifel. In Chassey-Beaupré war es endlich soweit, ich konnte meine fast leeren
Weitere Kostenlose Bücher