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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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mir zwar gut, leider schaffte sie es jedoch nicht, meine trübe Stimmung fortzuspülen. Es fällt mir schwer, mich auf den morgigen Tag zu freuen, mein Optimismus ist futsch! Ich hoffe, der Schlaf sorgt über Nacht für Stimmungsaufhellung. Wenigstens habe ich es in meinem Gite de France, wie die Unterkunft heißt, wirklich gut erwischt. Ich bin allein, es ist himmlisch ruhig und die Inhaber sind total nett. Ungefragt haben sie mir frische Eier von eigenen Hühnern, ein Stück selbst gebackene Erdbeertorte und eine Dose Bier gebracht. Ein paar andere Lebensmittel konnte ich mir im Tante-Emma-Laden nebenan besorgen, Schmacht schieben musste ich wahrlich nicht.
     
    Das war‘s für heute - gute Nacht!        
    Tag 18, Maxey-sur-Vaise - Greux 13 km
     
    „Livetagebuch“ am Morgen:
     
    Es geht mir dreckig. Meine Stimmung hat einen neuen Ti efpunkt erreicht. Auch nach 11 Stunden Schlaf fühle ich mich müde, mir fehlt jegliche Energie, die ich jetzt benötige, um weiterzugehen. Habe obendrein viel und schlecht geträumt. Es ging nur ums Aufgeben. Ich bin gescheitert!
     
    Meine Gedanken kreisen genau um dieses Thema, auch das üppige Frühstück mit 3 Eiern und viel Kaffee bringt mich nicht auf Trab. Es ist bereits 11 Uhr, ich sitze völlig saft- und kraftlos auf der Bettkante in meinem rustikalen Zimmer. Mein linker Fuß schmerzt höllisch. Die Blase ist über Nacht noch dicker geworden! Ich kann heute auf keinen Fall weitergehen. Warum sollte ich mir das jetzt antun?
     
    Ich lasse mich auf das Bett fallen und starre die Decke an. Ich glaube, ich bin nach nicht einmal 3 Wochen an einem entscheidenden Punkt angekommen. Weitergehen oder Aufgeben? Ich bin alleine, keiner kann mir helfen, diese Frage zu beantworten. Ich könnte jetzt so gut Kompanie gebrauchen, jemand mit dem ich sprechen kann. Alleine das würde mir schon helfen, glaube ich. Noch keine 500 km habe ich zurückgelegt, über 2.000 sind’s noch bis Santiago. Ich habe keine Idee, wie das funktionieren soll. Also bleibe ich liegen, während in meinem Kopf weiterhin der Trübsinn regiert. Draußen ist bestes Wetter. Es könnte ein so schöner Sonntag sein... .
     
    Ich muss mir jetzt einen Ruck geben! Wenn ich mich heute nicht aufraffe, dann tue ich es auch morgen nicht. Und wenn ich nur 10 km weit komme… ! Egal! Es wäre ein Fehler, würde ich es gar nicht erst probieren. Hier wird sich an meiner derzeitigen Situation jedenfalls nichts ändern. Auch meine maladen Füße will ich nicht als Ausrede gelten lassen. Ich werde gehen!! Nur so komme ich aus dem Loch raus, dessen bin ich mir jetzt sicher… .
     
    Viel später, am Ende des Tages:
     
    Es war fast 13 Uhr, als ich tatsächlich in voller Montur zum Marsch bereit vor dem Haus stand und mich von meinen Gastgebern verabschiedete. Die Sonne hatte sich inzwischen verzogen, und schon kurz nachdem ich den Ort verlassen hatte, begann es leicht zu regnen. Hätte ich doch bleiben sollen? Ich war genervt, zumal ich die ersten 2 km des Weges entlang der Straße gestern schon einmal gegangen war. Aber ich ging weiter, nicht zurück! Eine Umkehr wäre nur mit einer billigen Ausrede verbunden gewesen, die ich nicht zu akzeptieren bereit war.
     
    Wie zur Belohnung hörte der Regen zwar schnell wieder auf, aber ein ständiges, entferntes Gewittergrummeln und tiefdunkle Wolken bildeten weiter eine düstere Kulisse, die mir drohend zu signalisieren schien, bloß nichts Falsches zu machen. Meine Gedanken drehten sich weiter im Kreis, während ich mich vergeblich bemühte, einen vernünftigen Gehrhythmus zu finden. Es gelang mir nicht. Um die Schmerzen an meinen Füßen in erträglichen Grenzen zu halten, versuchte ich mit jedem Schritt so vorsichtig und kontrolliert aufzutreten, wie es eben möglich war. „Verdammt, wie konnte ich so schnell in dieses Loch fallen? Sch…! Und wie, bitte schön, komme ich da jetzt wieder heraus?“, sprach ich, halb fluchend, halb resignierend zu mir selbst. Ich hatte keine Ahnung, suchte vergeblich nach einer Antwort. „Vielleicht ist das Ganze ja nur eine Prüfung, die ich zu bestehen habe. Oder trage ich gerade irgendeine Schuld bzw. einen Haufen seelischen Ballast ab, von dem ich noch nichts weiß? Wenn ja, wie viel davon trage ich eigentlich mit mir herum? Womit habe ich mich überhaupt schuldig gemacht? Und vor wem? Vor Gott? Ist er mit im Spiel? Befreit er mich aus dieser Krise? Wenn ja, wann?“ Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Ich hoffte, nicht mehr

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