Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Souvenirläden. Über meinen Reiseführer kann ich in diesem Zusammenhang nur noch lachen. Laut Beschreibung sind Übernachtungsmöglichkeiten hier ausdrücklich nicht vorhanden.
    Oha… .
     
    Da ich nicht vorhatte, bereits in Colombey meine Ta gesetappe zu beenden, löste ich mich früh am Nachmittag von der Geschichte und wandte mich wieder der Gegenwart zu – meinem Weg! Die 15 km bis Clairvaux wollte ich schon noch schaffen. Eine Übernachtungsmöglichkeit ist auch dort zwar nicht deklariert, aber ich war gewillt, die Frage nach meiner Unterkunft erneut dem Zufall zu überlassen. Hatte
    ein gutes Gefühl dabei... .
     
    Fit und ausgeruht setzte ich meinen Weg fort. Zu seh en gab’s wenig, dafür wurde ich plötzlich von einem Gefühl tiefer Dankbarkeit übermannt. Einfach so! Dankbarkeit dafür, dass ich mich wieder in guter Verfassung befinde, Dankbarkeit für all jene, die mir vor meiner Reise Aufmerksamkeiten und kleine Glücksbringer zukommen ließen, wie Frau Geiger, Nicole, Kalli und Meike. Besonders auch Rainer, der mir seine Jakobsmuschel anvertraut hat, die er vor 2 Jahren selbst schon einmal nach Santiago getragen hat. Dankbarkeit auch denen gegenüber, die mir einfach nur Glück gewünscht haben (oder das immer noch tun) und hin und wieder an mich denken. Ganz besonders Wiebke verdient hier Erwähnung. Sie hat nie versucht, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Das rechne ich ihr hoch an. Klar ist die Zeit der Trennung lang. Im Herzen ist sie jedoch immer bei mir - das zählt! Genauso natürlich meine Eltern und meine liebe Oma. Ich verstehe nun, wie Menschen sich einander nah fühlen können, obwohl sie sich nur sehr selten sehen.
     
    Meine Dankbarkeit richtete sich auch an Gott oder besser gesagt das, was ich mir unter ihm vorstelle. Dafür, dass er vom ersten Augenblick mit mir gegangen ist, mir Kraft gab, immer weiter zu marschieren, und er mir über meine Krise hinweggeholfen hat. Ich hoffe, er bleibt an meiner Seite.
     
    Es war mir ein tiefes Bedürfnis, all jene, über die ich mich in der Vergangenheit mal schlecht geäußert habe, gleich in welcher Form, still um Verzeihung zu bitten. Selbst
    wenn es oft „nur“ negative Gedanken waren, die dem jeweiligen Mom ent entsprangen und von mir nie ausgesprochen wurden, hatte ich gegenüber denen, denen sie galten ein schlechtes Gewissen, so z.B. dem Besitzer der Jugendherberge von Metz. Ich habe heute so etwas wie einen inneren Frieden mit Menschen geschlossen, bei denen mir das bisher nicht vorstellbar erschien.
     
    Schon seltsam, was der Weg so alles aus einem hervorbringt... .
     
    Erst kurz vor Clairvaux begann ich die Gegend um mich herum wieder bewusst wahrzunehmen. Zufrieden stellte ich fest, dass meine Zuversicht hinsichtlich einer Unterkunft begründet war. Ich lief direkt auf ein Gite de France zu und bekam problemlos das gewünschte Zimmer - zu einem erträglichen Preis. Irgendwie passte das zu einem rundum gelungenen Tag. Ich war weder müde noch durchgeschwitzt, nicht einmal ansatzweise. Daher begab ich mich sofort nach der obligatorischen Körperpflege auf die Suche nach was Essbarem. Sah schlecht aus, denn außer einem schweineteuren Restaurant existiert in Clairvaux nichts, wo sich meine Bedürfnisse nach Nahrung hätten befriedigen lassen. Wie gut, dass ich noch ein paar Konserven und Nüsse im Rucksack hatte - als Notverpflegung ausreichend! Ich hoffe, in Essoyes, meinem voraussichtlichen Tagesziel morgen, erwartet mich eine etwas bessere Infrastruktur… .
     
    Da ich einmal in dem Ort unterwegs war, stattete ich der alten Abtei einen spontanen Besuch ab. Es handelt sich bei dem Gemäuer allerdings schon seit fast 200 Jahren nicht mehr um ein Kloster, daher war mir nur ein Blick von außen auf das Hauptportal möglich. Heute ist die Abtei eine Herberge der besonderen Art. Der Staat ließ sie zum größten Gefängnis in Frankreich umfunktionieren. Ob die Knackis sich der Besonderheit dieses altehrwürdigen Bauwerks bewusst sind? Wohl eher nicht. Wie auch immer, über die Mauer kommen sie nicht so einfach nach draußen, die ist ziemlich hoch.
     
    Schwere Jungs hin, schwere Jungs her, mir wird die Nähe zum Gefängnis keine schlaflose Nacht bereiten… .
     
     

    Gedenktafel am Grab von Charles de Gaulle
    Tag 22, Clairvaux - Essoyes 23 km
     
    Das frühe Schlafengehen hat wenig genutzt, die N acht war sehr unruhig. In einem Zimmer über mir hat ein Mann dermaßen laut geschnarcht, dass ich Angst um die Grundfesten des Hauses