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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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hatte. Im Ernst, so etwas habe ich noch nie gehört, das erfüllte den „Tatbestand“ der Ruhestörung. Eigentlich müssten solche Leute in einer extra lärmisolierten Schnarchkammer nächtigen. Kann gar nicht anders, als an die spanischen Massenunterkünfte zu denken. Herzlichen Glückwunsch, wenn dort mehrere solcher Schnarchnasen aufeinandertreffen. Ring frei zum Wettsägen oder gar gleich zum Kettensägenmassaker… .
     
    Völlig zermatscht nahm ich am Frühstückstisch Platz. Mindestens einen halben Liter
    Kaffee habe ich mir in den Rachen geschüttet, bis ich die Augen halbwegs aufhalten
    konnte. Kurz nach mir gesellte sich der Meisterschnarcher zu mir an den Tisch und stellte sich auf Deutsch als Geschäftsmann aus dem Elsass vor. Den Fragen nach zu urteilen, die er mir stellte, hat er in seinem Leben noch nie etwas von dem Jakobsweg gehört. Hin- und hergerissen war er zwischen Neugier und Eile. Einerseits bohrte er mir ein Trommelfeuer an Fragen in den Bauch, andererseits schaute er ständig auf die Uhr und erzählte von seinem eng gesteckten Terminplan. Der Mann gehört definitiv zur Gattung der Getriebenen. Dem könnte die Langsamkeit des Camino auch nicht schaden, dachte ich still. Wahrscheinlich würde er dann auch nicht mehr so laut schnarchen. Nach dem Verzehr von 2 Mini- Baguettescheiben siegte erwartungsgemäß seine innere Unruhe, schon der Blick in seinen Organizer rief erste Stress-Erscheinungen hervor. Nächste Woche wird er eine Messe in Köln besuchen. Bei günstiger Verkehrslage könne er es in rund 4,5 Stunden dorthin schaffen, rief er mir noch zu, bevor er in seiner Nobelkarosse vom Hof fuhr. So wie er sich von der Pensionswirtin verabschiedete, scheint er Stammgast im Hause zu sein. Er war nicht wirklich unsympathisch, nur total unausgeglichen. Obwohl wir an einem Tisch saßen, lebten wir in unterschiedlichen Galaxien. Für ihn wird Zeit das vermeintlich Kostbarste darstellen - Money - für mich bedeutet sie nichts. Ich bin froh, dass ich nicht mit ihm tauschen muss… .
     
    Während ich meine Mahlzeit fortsetzte, erntete ich zunehmend fassungslosere Blicke der Gastgeberin. Sie wirkte auf mich, als hätte sie vor mir noch nie jemanden gesehen, der solche Mengen Brot in sich reinschaufeln kann. Wahrscheinlich wunderte sie sich besonders, was so früh am Tag schon in einen menschlichen Kadaver hineingeht. Mir war‘s egal, ich war froh, mich richtig satt essen zu können, bevor ich den Rucksack schulterte. Die Dame aber wird wohl ab sofort die Preise für
    deutsche Pilger kräftig anheben... .
     
    Obwohl der Kaffee mich einigermaßen aufgeweckt hat te, kam ich nur mäßig in Fahrt. Die Strecke trug maßgeblich dazu bei. Über 6 km ging‘s schnurgerade durch langweiligen Nutzwald, keine Kurve, keine Abwechslung, nichts! Es kam mir vor, als ob mich ein unsichtbares Gummiband kein Stück vorankommen ließ. Einzig meine laufende Nase beschäftigte mich. Obwohl ich mich alle paar Minuten schnäuzte, war sie sofort wieder vollgelaufen. Die Schleimproduktion wollte einfach nicht versiegen. Wie gut, dass ich allein in der Natur unterwegs war. Nein, appetitlich war das nicht, was ich da von mir gegeben habe.
     
    Als der Wald sich öffnete, die ersten Felder und Kurven vor mir auftauchten, hatte ich gleich das Gefühl, schneller voranzukommen. Dass ich mich in der Champagne befand, darauf deuteten lediglich die vielen für Touristen aufgestellten Schilder am Straßenrand hin, ähnlich denen der Weinstraße. Weinfelder sah ich nur ganz vereinzelt, Weizenfelder dominierten das Landschaftsbild.
     
    In einem kleinen Ort unterwegs berührte mich der Anblick eines toten Entenpärchens auf der Straße. An einen Unfall mochte ich an dieser Stelle nicht so recht glauben. Die Straße war von beiden Seiten extrem weit einsehbar, und Enten bewegen sich in der Regel auch nicht so schnell, dass sie plötzlich vor einem Auto auftauchen. Nein, hier hat jemand scheinbar ganz bewusst noch einmal aufs Gaspedal getreten. Wut kochte in mir hoch. Bei aller Nächstenliebe, für Menschen, die so etwas bewusst tun, habe ich davon gerade nichts übrig. Wird denen aber auch schnurzegal sein. Und dennoch, irgendwann werden sie die Quittung für ihr Handeln bekommen, dessen bin ich mir sicher.
     
    Ich brauchte eine Weile, bis sich meine emotionale Betriebstemperatur wieder gelegt hatte und ich mich an erneut bestem Pilgerwetter, heute mit einem lockeren Sonne- Wolken-Mix bei angenehmen 20° C, erfreuen konnte. Ich machte

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