Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika
die Spitze desselben. Das Thier schien nicht ein Mal den Schlag bemerkt zu haben.
»Dieser Schuß zählt nicht, sagte der Buschmann, Euer Gnaden hat das Fleisch nicht berührt.
– Doch, doch, erwiderte Sir John, ein wenig bestürzt. Der Schuß zählt, Buschmann, ich habe ein Pfund verloren; doch wette ich noch einmal doppelt oder quitt!
– Wie Sie wollen, Sir John, doch werden Sie verlieren!
– Das wollen wir bald sehen!«
Die Büchse wurde sorgfältig wieder geladen, und Sir John zielte dem Chucuroo in die obere Hüfte und feuerte seinen zweiten Schuß. Doch traf die Kugel die Stelle in der Haut, wo dieselbe aus übereinander liegenden Hornschichten besteht, und fiel deshalb ungeachtet der Kraft ihres Anpralls zur Erde. Das Rhinoceros rührte sich und rückte einige Schritte fort.
»Zwei Pfund, sagte Mokum.
– Halten Sie diese? fragte Sir John.
– Gern.«
Diesmal nahm Sir John, der nun zornig zu werden begann, all’ seine Kaltblütigkeit zusammen und zielte auf die Stirn des Thieres; die Kugel schlug auf die gezielte Stelle, sprang aber wieder zurück, als hätte sie eine Metallplatte getroffen.
»Vier Pfund, sagte ruhig der Buschmann.
– Und noch vier!« schrie Sir John außer sich.
Dies Mal drang die Kugel in die Hüfte des Rhinoceros, welches einen fürchterlichen Satz machte; doch statt todt niederzustürzen, warf es sich mit unbeschreiblicher Wuth in das Gebüsch und zerstörte dasselbe.
»Ich glaube, es bewegt sich noch etwas, Sir John«, sagte einfach der Jäger. Dieser kannte sich vor Aerger nicht mehr. Seine Kaltblütigkeit hatte ihn gänzlich verlassen. Die acht Pfund, welche er dem Buschmann schuldete, setzte er auf eine fünfte Kugel. Er verlor abermals, verdoppelte, verdoppelte immer wieder den Einsatz, bis endlich beim neunten Schuß der lebenszähe Dickhäuter, in’s Herz getroffen, fiel, um sich nicht wieder zu erheben.
Jetzt stieß Sr. Gnaden ein Hurrah aus! Seine Wette, seine Enttäuschung, Alles hatte er vergessen und erinnerte sich nur an Eins, er hatte ein Rhinoceros getödtet. Aber, wie er später zu seinen Collegen vom Jagdclub in London sagte: »Es war ein theures Thier!«
Und wirklich hatte es ihm nicht weniger als sechsunddreißig Pfund gekostet, eine beträchtliche Summe, die der Buschmann mit gewohnter Ruhe eincassirte.
Sechzehntes Capitel.
Verschiedene Vorfälle.
Zu Ende des Monats September waren die Astronomen einen Grad nördlich weiter gekommen. Der schon durch zweiunddreißig Dreiecke gemessene Theil des Meridians erstreckte sich nun auf vier Grade, und das war die Hälfte der Aufgabe. Die drei Gelehrten arbeiteten mit außerordentlichem Eifer, doch da ihrer nur noch drei waren, empfanden sie oft solche Müdigkeit, daß sie ihre Arbeit für einige Tage einstellen mußten. Die Hitze war sehr groß und wahrhaft erdrückend.
Der Monat October in der südlichen Hemisphäre ist dem Monat April der nördlichen gleich, und unter dem vierundzwanzigsten südlichen Breitegrade herrscht die hohe Temperatur der algierischen Regionen. In den Nachmittagsstunden konnte man keine Arbeit vornehmen, und die trigonometrischen Operationen erlitten dadurch eine Verzögerung, die hauptsächlich den Buschmann beunruhigte und zwar aus folgendem Grunde:
Weiter nördlich, hundert Meilen von der letzt errichteten Station, durchschnitt dieser Meridian eine Gegend von eigenthümlicher Beschaffenheit, ein »Karrou« in der Sprache der Eingeborenen, ähnlich der am Fuß der Roggeveld-Berge in der Capcolonie. In der feuchten Jahreszeit bietet diese Gegend überall Zeichen größter Fruchtbarkeit; nach einigen Regentagen ist der Boden mit dichtem Grün bedeckt; überall sprießen Blumen; in kurzer Zeit schießen Pflanzen hervor. Weideplätze bedecken sich vor unseren Augen mit dichtem Gras; es bilden sich reißende Bäche; Antilopenheerden steigen von den Höhen herab und ergreifen von diesen improvisirten Prairien Besitz. Doch diese merkwürdige Triebkraft der Natur dauert nur kurze Zeit. Kaum ein Monat, höchstens sechs Wochen sind verflossen, und die ganze Feuchtigkeit der Erde, durch die Sonnenstrahlen aufgesogen, ist in der Luft verdunstet. Der Boden verhärtet sich und erstickt die neuen Keime; die Vegetation verschwindet in wenig Tagen; die Thiere fliehen die unbewohnbar gewordene Landschaft, und eine Wüste breitet sich da aus, wo kaum erst ein fruchtbares und reiches Land sich entwickelte.
Dies war der Karrou, welchen die kleine Truppe des Obersten durchziehen mußte, ehe sie
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