Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika
Tagemärsche fern sein. Dort würden die Pferde und Ochsen frische Weiden und schattige Wälder wiederfinden. Dort würden die Menschen ein ganzes Süßwassermeer zu ihrer Erquickung haben. Mokum machte den ersten Buschmännern gegenüber all’ diese Betrachtungen geltend. Er bewies ihnen, daß, um sich auf’s Neue zu verproviantiren, es am kürzesten sei, nach Norden zu gehen. Wirklich, wieder nach Westen umzukehren, hieß auf’s Geradewohl sich dem Zufall preisgeben; hinter ihnen lag das verödete Karrou, dessen strömende Wasser alle versiegt sein mußten. Endlich ergaben sich die Eingeborenen in all’ diese Gründe und Vorstellungen, und die fast ganz erschöpfte Karawane setzte ihren Weg nach dem Ngami wieder fort.
Glücklicherweise gingen die geodätischen Operationen durch Pfähle oder Fahnenstangen leicht von Statten. Um Zeit zu gewinnen, arbeiteten die Astronomen Tag und Nacht. Durch den Schein elektrischer Lampen geleitet, erhielten sie sehr klar gezeichnete Winkel, welche die gewissenhafteste Bestimmtheit befriedigten.
Die Arbeiten wurden also im Zusammenhang und methodisch fortgesetzt, und das Netz vergrößerte sich nach und nach.
Am 16. Januar glaubte die Karawane einen Augenblick, daß das Wasser, mit welchem die Natur hier so geizte, ihnen endlich im Ueberfluß wieder zu Theil werden sollte.
Ein kleiner, ein bis zwei Meilen breiter See wurde am Horizont wahrgenommen.
Man begreift, wie diese Nachricht aufgenommen ward. Die ganze Karawane eilte nach jener Richtung, einem weiten Wasserspiegel zu, in dem sich die Sonnenstrahlen wiederspiegelten.
Der See wurde gegen fünf Uhr Abends erreicht. Einige Pferde zerrissen ihre Zügel, entschlüpften den Händen ihrer Führer und stürzten im Galop auf dieses lang ersehnte Wasser zu. Sie witterten, fühlten es und bald sah man sie bis an der Brust darin.
Doch fast augenblicklich kehrten die Thiere wieder an’s Ufer zurück. Sie hatten sich nicht an diesem Gewässer erquicken können, und als die Buschmänner herankamen, fanden sie sich vor einem so stark mit Salz versetzten Wasser, daß sie sich nicht daran erfrischen konnten. Die Enttäuschung, ja man kann sagen die Verzweiflung, war groß. Mokum glaubte, daß er darauf verzichten müsse, die Eingeborenen noch über den Salzsee hinaus mit fort zu bringen. Zum Glück für die Zukunft der Karawane befand sich dieselbe näher am Ngami und den Nebenflüssen des Zambesi, als an jedem andern Punkt dieser Gegend, wo man sich trinkbares Wasser hätte verschaffen können. Das Wohl Aller hing also von dem Marsche vorwärts ab. Wenn die geodätischen Arbeiten sie nicht aufhielten, konnte die Expedition in vier Tagen die Ufer des Ngami erreicht haben. Man brach wieder auf. Die Bodenbeschaffenheit benutzend, konnte der Oberst Everest Dreiecke von größeren Verhältnissen errichten, welche die Aufstellung von Zielpunkten weniger häufig nöthig machten. Da man besonders in ganz klaren Nächten operirte, sah man die Feuersignale zum Erstaunen klar, und sie konnten, sei’s mit dem Theodoliten oder der Winkelmeßscheibe, auf’s Genaueste aufgenommen werden. Damit war zugleich Zeit und Mühe gespart. Doch, offen gesagt, sowohl für die von wissenschaftlichem Eifer beseelten, muthigen Gelehrten, als für die in diesem schrecklichen Klima von brennendem Durst verzehrten Eingeborenen, und für die im Dienst der Karawane verwendeten Thiere war es hohe Zeit, den Ngami zu erreichen. Keiner hätte noch vierzehn Tage unter solchen Verhältnissen aushalten können.
Am 21. Januar begann der flache, ebene Boden sich merklich zu verändern; er wurde holperig und uneben. Gegen zehn Uhr Morgens wurde ein kleiner fünf-bis sechshundert Fuß hoher Berg, nordwestlich, ungefähr fünfzehn Meilen entfernt, gemeldet. Es war der Scorzefberg. Der Buschmann betrachtete aufmerksam die örtliche Lage, und nach ziemlich langem Erwägen sagte er, die Hand nach Norden ausstreckend:
»Dort ist der Ngamisee!
– Der Ngami, der Ngami!« schrieen die Eingeborenen und begleiteten ihr Geschrei mit rauschender Beifallsbezeigung. Die Buschmänner wollten voraneilen und die fünfzehn Meilen, die sie noch vom See trennten, im Laufe zurücklegen. Doch gelang es dem Jäger, sie zurückzuhalten, indem er ihnen bemerklich machte, daß es wichtig sei, in diesem von den Makololos unsicher gemachten Lande sich nicht zu theilen.
Indeß beschloß der Oberst Everest, um die Ankunft der kleinen Truppe am Ngami zu beschleunigen, die Station, die er jetzt
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