Abenteurer meiner Traeume
erkennen, daß mit dem rechten Fuß der alten Frau etwas nicht in Ordnung war.
»Wie geht’s, Mädel?« sagte Cherokee. »Schöner Tag, nicht?«
»Ja, wirklich«, erwiderte Shannon. »Prettyface, geh aus dem Weg. Wenn du Hunger hast, lauf und jag dir was zum Frühstück.«
Die Hüttentür wurde geschlossen, Prettyface blieb draußen. Genaugenommen war kaum genug Platz für zwei Menschen in Cherokees winziger Hütte, schon gar nicht für zwei Leute und einen großen Hund.
»Ich hab’ gehört, du hast in Holler Creek Vorräte geholt«, sagte Cherokee.
»Wie hast du denn davon erfahren?«
»Indianer, wie sonst? Der Neffe von Wunder Bär hat in Holler Creek Gold gegen Whiskey getauscht. Und hat davon gehört, wie diese Culpeppers endlich mal ’ne Abreibung bekommen haben «
»Ach ja?«
»Ich wette dein nettes Lächeln drauf, daß sie die bekommen haben. Wo warst du denn, als sich der Staub gelegt hat? Immerhin ging es um dich bei dem Streit?«
»Als die Peitsche zu knallen anfing, hab’ ich mir mein Mehl und mein Salz geschnappt und zugesehen, daß ich rauskam«, sagte Shannon trocken.
Cherokees heiseres, kicherndes Lachen erfüllte die winzige Hütte. Sie trug ihr graumeliertes Haar in zwei dicken Zöpfen wie die Indianer. Ihr ledriges, dunkles Gesicht, dazu die formlose Hose, das Wollhemd und die abgetragenen Mokkassins gaben ihr das Aussehen eines alten Halbbluts, das sich entschieden hatte, lieber allein zu leben als die Beleidigungen zu erdulden, denen man ausgesetzt war, wenn man weder weißer noch indianischer Abstammung war. Nur der Amulettbeutel um ihren Hals deutete auf die Weisheit hin, die hinter ihren ruhigen, dunklen Augen verborgen lag.
Falls noch jemand anderer außer Shannon wissen sollte, daß sich hinter dem alten Mann Cherokee eigentlich eine alte Frau verbarg, hatte doch niemand öffentlich darüber gesprochen. Ihr Geschick mit Kräutern und ihre Fähigkeit zu heilen, hatte ihr den Titel Schamane unter Weißen und Indianern gleichermaßen verschafft.
»Mach’s dir bequem«, lud Cherokee sie ein.
Shannon setzte sich auf den Hocker vor dem uralten Holzofen. Cherokee hinkte langsam hinüber zu ihrer Pritsche und hockte sich darauf. Die Hütte war so klein, daß ihre Knie beinahe zusammenstießen beim Sitzen.
»Was hast du mit deinem Fuß gemacht?« fragte Shannon.
Cherokee wandte sich ab und begann, etwas Stinkendes in eine Steinpfeife zu stopfen. Sie strich ein Streichholz an und entzündete damit die Mischung aus Tabak und Kräutern.
»Es war ein harter Winter«, erklärte sie, »aber der Stamm von Wunder Bär hat nur eine alte Squaw und ein totgeborenes Baby verloren. Alle anderen sind genauso lebhaft wie dein verfluchter Hund.«
Shannon hätte gern das Thema der Verletzung der alten Frau weiterverfolgt, tat es aber nicht. Cherokee sprach über das, was sie interessierte, und kümmerte sich nicht um irgend etwas anderes.
»Und wenn sie es nicht wären, würdest du sie mit einem deiner Frühlingstonika schon wieder hinbekommen«, sagte Shannon und verzog das Gesicht.
Cherokees Tonika schmeckten schrecklich, auch wenn sie schwor, daß das zu ihrer guten Wirkung dazugehörte.
»Das stimmt, bei Gott«, sagte Cherokee.
Diskret sah sich Shannon in der Hütte um. Normalerweise stand ein voller Wassereimer neben dem Ofen, war Holz in der Nähe aufgestapelt, und etwas Eßbares köchelte auf dem Feuer. Manchmal gab es sogar frische Brötchen.
Doch heute war der Eimer fast leer, ein paar abgekratzte Reste von Eintopf am Boden eines Kessels und sonst nichts Eßbares in Sicht. Es gab auch kein Holz, das größer gewesen wäre als Späne.
»Ich habe auf dem Weg hierher Durst bekommen«, sagte Shannon und griff nach dem leeren Eimer. »Macht’s dir was aus, wenn ich etwas Wasser hole?«
Cherokee zögerte und zuckte dann mit den Schultern.
»Der Bach ist so kalt, daß man damit die Hölle zum Frieren bringen könnte«, murmelte die alte Frau. »Mir tun die Zähne weh bis runter zu den Ellenbogen, wenn ich das verdammte Wasser trinke.«
»Dann hole ich einfach noch Holz, und wir machen das Wasser etwas warm.«
Wieder zögerte Cherokee. Dann seufzte sie.
»Vielen Dank, Shannon. Ich fühle mich heute nicht so besonders.«
Schnell holte Shannon Wasser und Holz vom Stapel vor der Hütte. Als sie die Holzstücke zwischen Pritsche und Ofen aufgestapelt hatte, warf Shannon einen schnellen Seitenblick auf die andere Frau. Cherokee wirkte blaß und mitgenommen.
»Wenn ich schon dabei bin«,
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