Abenteurer meiner Traeume
spürte auch kein warnendes Prickeln im Nacken, als wäre jemand in der Nähe.
Doch ein paar Stunden später, als der Mond in silbernem Glanz über dem Tal aufgegangen war, hallten die heiseren Klänge der Panflöte durch die Nacht.
Shannon setzte sich mit klopfendem Herzen auf, und Prettyfaces kehliges Knurren vibrierte neben dem Bett und verstummte dann wieder.
Langsam begriff Shannon, daß dieser Klang Whips Flöte war, die mit der Nacht sprach. Sie ging zum Fenster, öffnete den Laden einen Spaltbreit und spähte hinaus. Draußen war nur Mondschatten, silbriges Licht und das massive, ebenholzschwere Tuch des Waldes auf dem schlafenden Berg.
Prettyface knurrte leise und ließ sich wieder in seine Ecke fallen. Sein Verhalten bestätigte, was Shannon schon wußte: Es bestand keine Gefahr durch die leisen, rauhen Melodien.
Sie ging zurück ins Bett und lauschte den Klängen der Einsamkeit, geklärt durch den Atem eines Mannes in einer schlichten Flöte.
Der nächste Tag verlief ganz ähnlich für Shannon, sie spürte das Prickeln im Nacken und hörte auf der Suche nach Wild, das ihr immer wieder entkam, dann und wann den Klang der Flöte. Der einzige Unterschied war das Geschenk, das ihr Whip diesmal in den Weg hängte: drei schöne Forellen, noch kalt vom Bach.
An jenem Abend wachte Shannon wieder durch die Flötenklänge auf, doch ihr Herz raste nicht mehr so heftig. Prettyface knurrte, ging ein paarmal in der Hütte auf und ab und legte sich dann wieder schlafen.
Shannon lag wach, lauschte dem heiseren Klagen der Flöte und sehnte sich nach der unaussprechlichen Schönheit von etwas, das sie nicht benennen konnte.
Am nächsten Tag schenkte ihr Whip Kartoffeln und Zwiebeln, einen Luxus, den Shannon seit sechs Monaten nicht mehr gekostet hatte.
Am Abend dann lag sie halb wach und wartete auf die Flöte. Als sie ertönte, schauderte Shannon und hörte genau zu. Prettyface erwachte kurz und schlief bald wieder ein, ebenso wie Shannon.
Am vierten Tag war Whips Geschenk ein Topf mit Marmelade, die schmeckte wie ein süßer Sommermorgen, als sie sie auf der Zunge zergehen ließ und sich von den Fingerspitzen leckte.
Der Klang der Flöte ertönte früher an diesem Abend, erhob sich zu den Sternen, brachte sie zu Shannon wie ein Geschenk. Prettyface legte den Kopf schief und horchte, machte sich aber nicht mehr die Mühe aufzustehen. Die Musik war nichts Unbekanntes oder Gefährliches mehr für ihn.
Am fünften Tag kehrte Shannon von der Jagd zurück und fand große Holzstücke, die an ihren schon recht klein gewordenen Holzhaufen gelehnt waren. Der Spalthammer, den Silent John zum Holzspalten gebraucht und den Shannon zerbrochen hatte, war repariert. Die Axt war geschärft. Auch die Säge.
Prettyface schnupperte mißtrauisch an jedem der Werkzeuge, sträubte das Fell im Nacken und knurrte leise. Aber nichts erschien, um ihn herauszufordern. Und seine Herrin schien sich auch nicht unbehaglich zu fühlen.
Sein Fell glättete sich. Whips Geruch wurde für ihn zusehends etwas Normales.
An diesem Abend hob der Hund kaum die Ohren, als die rauchigen Klänge durchs Zwielicht drangen. Shannon hielt beim Wäscheaufhängen über dem Ofen inne. Sie legte den Kopf zurück und schloß die Augen, ließ die Schönheit der Musik ihren müden Geist streicheln.
Am sechsten Tag, als Shannon wieder mit leeren Händen von der Jagd kam, war Whips Geschenk frisch gehacktes Holz, mit Scheiten, die genau in ihren Ofen paßten. Das Holz war ordentlich neben der Hüttentür aufgestapelt, genau da, wo sie es brauchen würde.
Während Shannon das Holz betrachtete, flüsterte ihr Whips Flöte aus dem Wald in der Nähe zu, einen fernen Ruf aus drei Tönen. Als sie sich umdrehte, sah sie nichts.
Die Flöte hörte sie nicht wieder singen.
Am siebten Tag erwartete sie ein Strauß Blumen.
Shannon betrachete die Blumen und biß sich auf die Lippen, weil sie plötzlich den Wunsch hatte zu weinen. Dann atmete sie zitternd aus und ließ den Blick am Waldrand entlangschweifen, voller Sehnsucht danach, mehr von Whip zu sehen als einen Schatten, der gerade aus ihrem Blickfeld verschwand. Während der vergangenen sechs Tage hatte sie aufgehört, sich Sorgen darüber zu machen, daß Whip ihr irgendwo auflauern könnte. Sie glaubte nicht mehr, daß er sie wie ein Tier anfallen und sich an ihr abreagieren würde, ob sie wollte oder nicht.
Falls es das war, was Whip von ihr wollte, dann hätte er sie wesentlich leichter nehmen können, als er die
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