Aber bitte fuer immer
füreinander bestimmt sind, können sie auch später noch die Eisenkugel anlegen.
Offensichtlich muss ich vorsichtig vorgehen. Ms. Harris wird sicher Ausschau nach Anzeichen einer Meuterei halten. Was nicht zwingend schlecht ist. Sie sieht ganz niedlich aus, wenn sie ihr Kinn vor lauter Empörung vorschiebt.
Ich kann nicht glauben, dass ich das eben geschrieben habe. Zuerst reizend. Jetzt niedlich. Ich glaube, ich muss aus diesem Wagen raus. Und ich brauche einen Drink.
Sie hat von allen Frauen, denen ich je begegnet bin, die größten Probleme mit ihrem Schuhwerk. Zuerst blieb sie gestern mit ihren hohen Absätzen zwischen den Pflastersteinen stecken, und heute ist sie auf dem Kies ausgerutscht. Mir ist es ein Rätsel, wie sie es schafft, sich aufrecht zu halten.
Und sie hat diese nervige Angewohnheit, auf meinen Schoß zu starren. Ja, sie ist klein, aber nicht so klein, dass das ihrer natürlichen Augenhöhe entspricht.
Ah, wir erreichen jetzt die Ausfahrt, wo Frau Schumacher uns abholen wird. Sie hat gesagt, sie fährt einen silbernen Mercedes. Ihr Englisch hat sie offenbar aus den Untertiteln zu vieler Folgen von Mord ist ihr Hobby aufgeschnappt.
Das dürfte eine ausgesprochen unterhaltsame Woche werden.
Reisetagebuch
von
Jane Harris
O mein Gott, wir sind da. In der Villa Beccacia!
Und es ist HIMMLISCH.
Ich muss gestehen, am Anfang hatte ich meine Zweifel. Diese Frau Schumacher … ich glaube, sie ist mindestens so alt wie einige der Burgen, an denen wir vorbeigefahren sind. Und … sie hat eine kleine Schwäche für Riesending. Ätzend! Bloß weil er deutsch spricht! Unten an der Ausfahrt stiegen wir aus, um sie zu begrüßen, und sie fragte sofort: »Wer ist Cal?«, und als er die Hand hob, konnte man sehen, wie sie praktisch dahinschmolz auf dem Asphalt.
Sie muss mindestens hundert Jahre alt sein! Wer hätte gedacht, dass der Riesending-Zauber bei Hundertjährigen wirkt?
Das Nächste, was ich weiß, ist, dass die beiden eine muntere Unterhaltung auf Deutsch begannen und uns aus dem Gespräch ausschlossen.
Zum Glück hatte Frau Schumacher ihren Urenkel Peter dabei. Er ist vierzehn und spricht Englisch … recht gut sogar. Fragen Sie mich nicht, warum er bei seiner Urgroßmutter in Italien ist, statt die Schule zu besuchen. Vielleicht unterrichtet sie ihn bei sich in Italien? Er sieht ein bisschen aus wie der klassische Prügelknabe an einer amerikanischen High School. Ich meine, er ist pummelig und redet sehr leise, und er trägt ein X-Men-T-Shirt unter seiner Jeansjacke.
Jedenfalls denke ich, dass es unhöflich wäre zu fragen. Warum er nicht in die Schule geht, meine ich.
Peter fragte uns Nichtdeutschsprechende, wie die Fahrt gewesen sei und ob wir Hunger hätten, und meinte, er und
seine Uromi hätten den Kühlschrank in der Villa gefüllt, sodass bis zum nächsten Tag genug da sei, wenn die Läden wieder öffneten, da ja am Sonntag alles geschlossen sei.
Mark fragte nach Alkohol – man sah ihm an, dass es ihn die letzten Nerven gekostet hatte, während Holly fuhr, im Wagen zu sitzen –, worauf Peter verwirrt antwortete: »Ja, ich glaube, davon ist genug im Haus.«
Mark wirkte sichtlich erleichtert.
Dann sagte Frau Schumacher, wir sollten einsteigen und ihr folgen. Also stiegen wir ein. Während der Fahrt fiel mir unweigerlich die dunkle Wolkenwand auf, die sich dem nächsten Städtchen auf einem der Hügel näherte, und mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr schwimmen gehen konnte, als Holly plötzlich rief: »Seht mal! Die Adria!«
Und da war es, dieses herrliche saphirblaue Band, genau vor uns! Der Strand war menschenleer, weil die Saison Mitte September natürlich vorbei ist… obwohl es oft immer noch über zwanzig Grad warm ist. Trotzdem hatte irgendwer gelb-weiß gestreifte Liegestühle aufgestellt, für alle Fälle.
Wenig später fuhren wir durch den herrlichen Küstenort Porto Recanati mit seinen niedlichen kleinen Läden – es gab eine Gelateria, einen italienischen Benetton und etwas, das sich Crazy Bar and Sexy Tattoo Shop nennt und wahrscheinlich nicht als niedlich durchgeht – und bogen links in eine Straße, bei der ich mir nicht einmal sicher war, ob es überhaupt eine Straße ist. Ich meine, sie war von Bäumen gesäumt, aber würde eher als Schotter piste durchgehen. Der Wagen wirbelte so viel Staub auf, dass wir die Fenster schließen mussten.
Kurz darauf erspähten wir das Centro Ippico – eine Reitschule, nicht weit entfernt von der Villa Beccacia …
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