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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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einen großen Schritt in mein Schlafzimmer machen will, entfährt ihr ein ungewöhnlich lautes »ahhhhhh«. Sie weist auf die Hausschuhe, die an der Tür stehen.
    »Ahhh«, echoe ich. »Muss ich die Schlappen hier anziehen?«
    »Ich würde Sie darum bitten«, entgegnet sie höflich in überraschend gutem Englisch. »Die Tatami-Matten werden nur barfuß oder in den extra dafür bereitgestellten Geta betreten.« Schuldbewusst ziehe ich meine Straßenschuhe aus und schlüpfe in die Holzschuhe. Dann erkläre ich ihr, dass ich mein Bett suche. Irritiert schaut sie mich an.
    »Das Futon wird nur abends ausgerollt und tagsüber wieder im Schrank verstaut«, erklärt sie mir.
    »Ach, tatsächlich? Möchte sich denn niemand mittags noch mal hinlegen?«
    »Das ist sehr selten«, entgegnet sie diplomatisch.
    »Aber wäre es nicht praktischer, das Bett einfach stehen zu lassen?«
    »Wissen Sie, früher gab es in Japan gar keine Schlafzimmer – auch nicht in Privathäusern. Ein Schlafzimmer galt als verschenkter Raum und war somit Luxus. Erst seit dem zweiten Weltkrieg, als der westliche Lebensstil immer mehr zu uns herüberschwappte, hat sich auch hier das Prinzip durchgesetzt.« Sie lächelt mich an. »Aber auch heute rollen noch viele Japaner ihr Futonbett abends aus und verstauen es morgens wieder im Schrank. Übrigens schlafen wir traditionell immer so, dass das Kopfkissen nicht nach Norden zeigt. Tote werden bei uns nämlich in Richtung Norden gebettet und der Aberglaube verbietet uns Lebenden, ebenfalls diese Position einzunehmen.« Sie weist mit der Hand auf den Schrank, in dem sich mein Bettzeug befindet.
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen Ihr Futon wieder ausrolle?«
    »Nein, nein«, sage ich höflich, obwohl ich mit Ja antworten möchte. »Ich passe mich den traditionellen Gepflogenheiten an. Vielen Dank.« Die Dame verabschiedet sich und verlässt, nachdem sie sich mehrfach verbeugt hat, mein Zimmer. Sehnsüchtig werfe ich einen Blick Richtung Schrank. Ob Nord oder Süd, schicklich oder nicht, ich möchte einfach nur ein Nickerchen machen. Vielleicht schlafe ich ja doch noch ein wenig, gleich, wie die Japaner, in der U-Bahn.

Lost in Translation, oder: Weshalb dem Japaner sein Bad heilig ist
    Eine Kolumne von Dana Phillips
    Liebe Komplizinnen! Sie waschen sich regelmäßig, Sie halten sich für reinlich, sind der Meinung, mit gängigen Hygienestandards vertraut zu sein? Um dieses Selbstbild zu erschüttern, brauchen Sie nur nach Japan zu fahren. Denn im Land der aufgehenden Sonne hat man eine gänzlich andere Vorstellung davon, was geleistet werden muss, um das rechte Maß an Reinlichkeit aufrechtzuerhalten. Wehe dem, der die Sauberkeits- und Reinigungsriten nicht beherrscht und sich im Schrein mit der falschen Hand den Mund auswäscht! Dass Sie überall Ihre Schuhe aus- und Toilettenschuhe anziehen müssen, dass Handtaschen nicht auf dem Boden stehen dürfen, weil sie Straßendreck ins Haus transportieren könnten, das alles ist nur der Anfang! Die Mühe geht erst richtig los, sobald Sie Ihre eigenen vier Wände oder ein Onsen , ein öffentliches Bad betreten haben. Unverzichtbar ist für den Japaner vor allem eins: Die Badewanne. In einem täglichen Ritual löst sich hier der Alltagsstress in warmes Wohlgefallen auf. Und zwar in der Regel abends, denn das Bett ist schließlich ein reiner Ort, den man nur ungern mit Alltagsballast beschmutzen möchte. Wir Europäer, die bevorzugt morgens duschen, um uns den Schlaf aus den Augen zu waschen und uns für den neuen Tag frisch zu machen, sind dem Japaner suspekt. Dass wir aus Zeitersparnisgründen nur unter die Dusche hüpfen, ist dem Asiaten schleierhaft. Gut Bad will eben Weile haben.
    In Japan sind die Dusche und das Bad übrigens nicht voneinander zu trennen. Da hier traditionell für alle Familienmitglieder das gleiche Badewasser verwendet wird, muss grundsätzlich vor dem Bad geduscht werden. Schließlich möchte man Bruder und Schwester nicht in den eigenen Schmutzpartikeln sitzen lassen. Und so wird sich, auf einem kleinen Schemel hockend, in der Dusche eingeseift, bevor man in die Wanne steigt. Ähnlich werden die Reinigungsrituale auch im Onsen , dem traditionellen japanischen Bad, vorgenommen. Wer sich hier nicht dem Regelwerk entsprechend verhält, wird umgehend mit sozialer Ächtung bestraft. Das klingt anstrengend – und ist es auch! Zumindest so lange, bis man das Geheimnis der Badezeremonie ergründet hat. Ab dann ist ein Aufenthalt im Onsen ein sauberes

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