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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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daran gewöhnt, dass die Japaner auch während des Urlaubs auf einem Kreuzfahrtschiff einem straffen Zeitplan folgen. Nicht, dass ich es wagen würde, so etwas laut zu äußern, aber ich vermute sogar, dass sie richtiggehend Angst vor freier Zeit haben. Sie machen alles, Hauptsache, sie müssen sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Anders lassen sich die seltsamen Freizeitaktivitäten hier an Bord nicht erklären. Und Kyoko ist bei allen Veranstaltungen ganz vorne mit dabei. Ich hingegen amüsiere mich darüber, dass man sich unnötigerweise so einem Stress aussetzen kann, wo doch am Jacuzzi so viele freie Liegen stehen, die zum Relaxen einladen.
    »Gleich ist Hula-Tanzstunde! Ich habe uns angemeldet! Immerhin tritt heute Abend die Tahitianische Sängerin SandiiBunBun auf. Und mit ihr eine Tanzgruppe.« Erst jetzt fällt mir auf, dass Kyoko ein merkwürdiges Outfit trägt. In ihrer traditionellen Frisur steckt eine tahitianische Plastikblume – es ist mir schleierhaft, wo sie sich die besorgt hat. Ihr Körper wird von einem sonnenblumengelben Hula-Kleid umhüllt, während ihre Füße wie gewohnt in traditionellen japanischen Holzsandalen stecken. Um das Gesicht vor der Sonne zu schützen, hat sie sich zudem eine blaue Schirmmütze aufgesetzt. In diesem Aufzug marschiert sie los und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr zur Hula-Stunde auf dem Tikki-Deck zu folgen. Kyoko kann trotz ihrer japanischen Sanftheit sehr durchsetzungsfähig sein. Wenigstens zwingt sie mich nicht, ein Baströckchen anzuziehen. Aber ich bin mir sicher, das kommt noch. Als wir das Tikki-Deck erreichen, stehen die restlichen Kursteilnehmer schon auf ihren Startpositionen. Die Tanzlehrerin, eine zierliche Frau, ebenfalls im gelben Kleid, scheint nur auf Kyoko gewartet zu haben, denn als wir auftauchen, läuft sie leichtfüßig zur Stereoanlage, um sie anzustellen. Kyoko huscht, unter Andeutung zahlreicher Verbeugungen, die von allen Seiten erwidert werden, auf eine freie, zentrale Position in der Mitte der Formation und bedeutet mir, mich ganz am anderen Ende des Pooldecks neben drei älteren Japanerinnen einzureihen. Wahrscheinlich, damit ich niemandem im Weg stehe. Dann erklingen die ersten Ukulele-Töne des tahitianischen Gassenhauers »Vahine tapone monkey man« .
    »Aueuae vahhinnee taaponeee aueuaue aloaha hae hae«, haucht die Sängerin SandiiBunBun noch vom Band aus den Boxen, während die Tänzer versuchen, die nicht vorhandenen Hüften kreisen zu lassen. Was sich beim bloßen Zuschauen so leicht belächeln lässt, ist – das stelle ich nun schnell fest – körperliche Schwerstarbeit. Es ist gar nicht so einfach, zierliche Schrittchen nach links zu machen, die Hüfte nach rechts kreisen zu lassen und mit den Armen wellenförmige Bewegungen auszuführen, sie dann in die Höhe zu strecken und sich gleichzeitig bei rhythmischem Schütteln des Beckens im Kreis zu drehen. Aus den Augenwinkeln beobachte ich einen alten Japaner, sicher um die neunzig, der dabei ist, seinen künstlichen Gelenken alles abzufordern. Eifrig streckt er den einen Arm aus, dann den anderen, und sieht dabei mit Sicherheit geschmeidiger aus als ich. Insgesamt, so fürchte ich, geben wir kein sonderlich elegantes Bild ab. Das, was wir hier fabrizieren, wirkt eher, als würden wir von zwei unsichtbaren Tanzpartnern hin- und hergezerrt. Gerade als mir die Luft ausgeht und ich aufgeben will, verliert der alte Mann das Gleichgewicht und fällt auf seinen Allerwertesten. Anstatt aber sitzen zu bleiben oder die Tanzfläche zu verlassen, steigt er, nachdem man ihm aufgeholfen hat, sofort wieder in den Gruppentanz ein. Ohne Gesichtsverlust kann ich mich nach dieser Einlage ganz sicher nicht aus dem Staub machen. Mittlerweile bin ich ganz schön ins Schwitzen geraten, mein Shirt klebt mir am Rücken, Kyoko hingegen sieht immer noch aus wie aus dem Ei gepellt. Mit kleinen Schritten nähert sie sich meinem Platz und fächelt mir etwas Luft mit einem japanischen Fächer zu.
    »Für die Performance heute Abend hätten Sie vielleicht etwas länger trainieren sollen.« Sie klingt streng. »Denken Sie daran, pünktlich zum Kimono-Tragen zu erscheinen. Ich habe Ihnen etwas Hübsches genäht.« Ich merke wie meine Gesichtszüge einfrieren. Was für eine Performance? Und wieso soll ich einen Kimono tragen? Kyokos Antwort lässt jeden Fluchtversuch sinnlos erscheinen: Der Hula-Tanz soll zu einer Liveperfomance der tahitianischen Sängerin SandiiBunBun aufgeführt werden. Beim

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