Aber bitte mit Sake
an.
»Manchmal macht es mir einfach Spaß, die Japaner zu provozieren. Die müssen doch auch mal rauskommen aus ihrer Komfort-Zone!«, flüstert er mir kichernd ins Ohr. Immerhin Gaki scheint angetan zu sein und macht das Victoryzeichen.
Nach dem Essen spaziert sie gemeinsam mit mir wieder zurück in unsere Kabine, die wir leer vorfinden. Da mir nun auch niemand bei der Übersetzung helfen kann, ist es mir nicht möglich, Gaki zu erklären, dass ich eigentlich keine Lust auf einen Mangafilm habe. Aber versprochen ist versprochen. Begeistert steckt sie die DVD in ihren Laptop und bedeutet mir, neben ihr auf dem Bett Platz zu nehmen. Zum Glück gibt es englische Untertitel. Card Captor Sakura – die versiegelte Karte , läuft der Titel über den Bildschirm, es ertönt dramatische Musik. Ich werfe einen Blick auf Gaki, die gespannt auf den Bildschirm starrt und verfolgt, wie ein Mädchen mit riesigen Augen, es muss sich um Sakura handeln, mit einem Satz vom Erdball aus ins Weltall springt, um sich vor verschiedenen Monstern in Sicherheit zu bringen, die ihr folgen. Mit Hilfe ihres magischen Stabs gelingt es Sakura trotz der Überzahl der Gegner, diese in wenigen Minuten zu besiegen.
Gaki zeigt auf ihre eigene Brust, dann formt sie mit den Händen ein Herz. Ich liebe Manga, soll das wohl heißen. Ich gähne und verfolge weiter den Film. Die Handlung plätschert dahin. »Ich spüre es deutlich, ich habe mein Herz verloren, es gehört mir nicht mehr. Ich weiß doch genau, ich darf mich nicht in ihn verlieben, aber ich kann meine Gefühle nicht verleugnen und mein Herz nicht betrügen, ich kann sein strahlendes Lächeln einfach nicht vergessen. Ich möchte ihm gegenüberstehen, ihm ins Gesicht sehen und ihm sagen, was ich für ihn fühle« , sinniert die Comicheldin mit ihren weit aufgerissenen Riesenaugen vor sich hin. Die Szene wechselt, doch ich bin schon eingeschlafen und träume von Raffaele, der in Form eines kitschigen Prinzen erscheint und eine magische Karte schwingt.
Lost in Translation, oder: Warum die Japaner Manga und Anime lieben
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen! Sie haben noch nie etwas von Manga gehört? Dann denken Sie einfach mal an Comicfiguren mit großem Kopf und riesigen Kulleraugen, ganz im Kindchenschema. Manga sind nämlich japanische Comics. Wörtlich übersetzt allerdings steht »Manga« für ein zwangloses, ungezügeltes Bild. Die Comics werden, so wie in Japan üblich, von rechts nach links und von oben nach unten gelesen. Ob Romantik oder Drama, Horror oder Fantasy – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Und auch wenn Sie vielleicht denken, dieser Trend sei ganz plötzlich aufgekommen: Tatsächlich gibt es die Manga in Japan schon seit Urzeiten. Der älteste Comic dieser Art wurde schon zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert entdeckt. So wie wir sie heute kennen, gibt es Manga allerdings erst seit dem 20. Jahrhundert. Einer der einflussreichsten Wegbereiter war Osamu Tezuka, der nicht nur die Grundlagen des aktuellen Manga-Stils schuf, sondern auch die Basis für die moderne Anime-Industrie, die japanischen Animationsfilme.
Auch wenn man auf den ersten Blick auf die Idee kommen könnte, Manga seien nur etwas für Kinder, ist die Mehrzahl der Fans jedoch bereits volljährig.
Aber was macht die Faszination Manga eigentlich aus? Was steckt hinter den Comicgeschichten rund um Schulmädchen und kindliche Helden? Es sind schlicht und ergreifend simple Bedürfnisse, die in den Comics angesprochen werden und mit denen sich die Leser leicht identifizieren können: Freundschaft, Liebe oder Selbstverwirklichung. Auch der Plot ist schnell erzählt: Stets verteidigt der Held das Gute, sollte er dennoch versehentlich ins Jenseits befördert werden, ist die Auferstehung sicher nicht weit. Manga werden übrigens nicht nur gelesen; zahlreiche Fans zeichnen ihre Helden auch selbst, wer weniger begabt ist, kann in der Buchhandlung ein Manga-Malbuch erstehen. Im Internet gibt es Foren, in denen die Mangazeichner ihre Fanarts hochladen und von anderen Künstlern bewerten lassen. Nicht zu vergessen die großangelegten Treffen, sogenannte Conventions , auf denen sich Mangafans zusammenfinden, um die Comic- und Filmhelden aus dem Land der aufgehenden Sonne nachzuahmen. Schrill und bunt geht es dabei zu, leben die Fans ihre Fantasien doch in teilweise bizarren Kostümen aus, mit denen sie bei Cosplay-Wettbewerben gegeneinander antreten. Gewinner ist, wer den Titelhelden in Kleidung und
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