Aber bitte mit Sake
vor der Antwort schalte ich, direkt nachdem ich auf »Senden« gedrückt habe, mein Handy in den Flugmodus und beschließe, es erst wieder zu reaktivieren, wenn wir uns auf hoher See befinden. Dann schlafe ich ein.
Lost in Translation, oder: Wie Japaner Urlaub machen
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen! Ja – auch ich habe dieses Bild vor Augen: Japaner, die in Massen über touristische Ziele herfallen, rudelweise Sehenswürdigkeiten abklappern und mit verbissener Zielstrebigkeit alles fotografieren, was ihnen vor die Linse kommt: Vom Thunfischstand auf Tahiti über den peruanischen Panzer bis hin zum kubanischen Kultauto. Aber woher kommt dieser Wahnsinn?
Zunächst einmal ist die Reiselust der Japaner in jüngster Zeit sprunghaft angestiegen, und immer mehr von ihnen wagen sich auf Entdeckungsreise nach Europa. Das Problem ist nur: Ihre Zeit ist knapp. In der Regel haben sie 15–20 Tage Urlaub im Jahr – die meisten nehmen aber nur weniger als die Hälfte. Aus Rücksicht auf ihre Kollegen, die in dieser Zeit ja ihre Arbeit übernehmen müssen.
Es gilt also, die wenigen Tage möglichst effektiv zu nutzen. So kann es passieren, dass auf einem siebentägigen Trip neun europäische Städte abgehakt werden. Doch wie soll man all diese kurzen, schnellen Eindrücke verarbeiten, wenn man kaum Zeit hat, überhaupt wahrzunehmen, was um einen herum passiert, da man schon wieder in den Bus steigen muss, um zum nächsten Sightseeing-Highlight gekarrt zu werden? Wie gut, dass man die Kamera dabei hat, so kann man sich im Nachhinein wenigstens an all das erinnern, was man in der Eile nur beiläufig registriert hat. In den meisten Fällen stehen die Sehenswürdigkeiten allerdings sowieso nicht im Mittelpunkt, sondern der Reisende selbst. Der Japaner inszeniert sich für zahlreiche Fotos vor den berühmten Bauwerken, das Victoryzeichen, das auf keinem Bild fehlen darf, steht in asiatischen Ländern übrigens einfach nur für glücklich und soll ein Lächeln unterstreichen.
Viele der japanischen Touristen tun sich allerdings immer noch schwer damit, sich an die Andersartigkeit fremder Länder zu gewöhnen, aber das geht uns natürlich manchmal nicht anders. Für den Umgang mit fremden Kulturen gibt es daher sogar schon seit den Siebzigerjahren den Versuch, Japanern mit Zeitungsanzeigen und Filmen Benimm-Regeln für den Aufenthalt in Übersee beizubringen. Das Buch »Für den wohlerzogenen Japaner« hält zahlreiche Weisheiten parat: Schlürft Suppe nicht vom Teller! , Uriniert nicht auf die Straße! oder Lauft nicht in Unterwäsche durchs Hotel! Schade, dass es davon kein deutsches Pendant gibt, »Der wohlerzogene Deutsche« hätte mir beim Fettnäpfchen-Hüpfen auf dem Peaceboat sicher gute Dienste geleistet.
Sayonara! Ihre Dana
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Gericht: Luft und Liebe
Japaner des Tages: Yuuku, der Popstar
Place to be: Im Rettungsboot
Erkenntnis: Sockenwaschen für alle
D as Peaceboat hat Cristobal verlassen. Seit gestern Abend befinden wir uns wieder auf offener See, das nächste Ziel: Jamaica. Die Sonne brennt seit Tagen vom Himmel. Um die Zeit totzuschlagen, bis Yuuku an diesem Abend mit seinem Tanztraining fertig ist, nehme ich an ein paar Kursen teil, die heute angeboten werden. Ich möchte endlich herausfinden, was sich hinter dem Kurs Lasst uns gemeinsam Socken waschen verbirgt. Über das Schiff schlendernd erreiche ich das Pooldeck, auf dem sich mehrere Leute über gefüllte Wassereimer beugen. Die waschen tatsächlich ihre Socken , denke ich.
»Sie sind die Deutsche, oder?«, spricht mich einer der jüngeren Männer auf Englisch an.
»Ja, richtig. Ich wollte mal schauen, was Ihr hier macht. Wascht Ihr wirklich Eure Socken zusammen?«
»Sicher, warum denn nicht?« Offenbar kann er meine Skepsis nicht ganz nachvollziehen.
»Na ja, es erschien mir etwas ungewöhnlich«, versuche ich mein Anliegen vorsichtig zu formulieren. Ein paar Frauen und einige Männer wringen im Takt ihre Socken aus und hängen sie dann zum Trocknen über einen Stuhl.
»Das sind doch keine normalen Strümpfe, sondern die Socken, die wir zum Schreintragen anziehen. Haben Sie uns nicht beim Sommerfest gesehen? Das machen wir oft bei japanischen Volksfesten, dass wir einen Miniaturschrein tragen. Auch bei festlichen Umzügen oder so.«
»Ach, Ihr wart die Gruppe, die so laut gerufen hat?«
»Ja, genau.« Er lacht mich an. »Mit dem Schrein transportieren wir den Geist der Gottheit – wir wollen ihn ehren und erfreuen. Früher
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