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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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einer positiven Berichterstattung, ich habe also ein Druckmittel. Zumindest ein kleines. Außerdem hat die Komplizin meine Schiffspassage bezahlt. Da werden sie mich ja wohl kaum im Hafen von Panama aussetzen, nur weil ich ein kleines Schampusfläschchen zwischen Portemonnaie, Wimperntusche und den Supermarkteinkäufen versteckt habe.
    »Was heißt denn ›Ich weiß nicht‹«, fragt der Mann stirnrunzelnd. Dann streckt er die Hand aus. »Darf ich mal?« Ich werfe Yuuku einen entschuldigenden Blick zu, während ich meinem Gegenüber die Tasche aushändige. Mit einem einzigen Griff zieht er die Champagnerflasche hervor und runzelt die Stirn. »So. Sie wissen nicht, ob Sie Alkohol dabei haben?« Ich setze einen unschuldigen Blick auf und deute auf Yuuku.
    »Der gehört ihm. Er geht in Jamaika von Bord, und das hier ist sein Abschiedschampagner. Wir hätten ihn natürlich auch an der Bar gekauft, aber da gibt es schließlich keinen Schampus. Was sollten wir da anderes machen, als ihn hier zu kaufen. Können Sie nicht eine Ausnahme machen und vergessen, dass wir die Flasche dabei haben?«
    »Nein, tut mir leid, das geht nicht.« Er schüttelt den Kopf. »Sie müssen ihn dort an der Rezeption abgeben, dann bekommen Sie eine Nummer und können die Flasche beim Verlassen des Schiffes wieder abholen. Ob ganz am Ende Ihrer Reise oder zum nächsten Landgang, das bleibt Ihnen überlassen.«
    »Ja, aber. …«, setze ich zu einer Diskussion an.
    Yuuku winkt ab. »Lass gut sein, Dana, es hat keinen Sinn. Die Besatzungsmitglieder sind zwar alle indonesisch oder südamerikanisch, aber sie haben die japanische Regeltreue nach so langer Zeit schon zutiefst verinnerlicht. Da ist nichts zu machen.« Er nimmt dem Spielverderber die Flasche ab, deutet eine Verbeugung an und geht vor mir her zur Rezeption.
    »Ich hoffe, wir haben jetzt dem Rest der Gäste nicht die Chance verdorben, alkoholische Getränke an Bord zu schmuggeln«, scherze ich, nur um wieder einmal festzustellen, dass Ironie unter Japanern nicht sonderlich verbreitet ist. Yuuku starrt mich ungläubig an. »Wieso sollten wir?«, fragt er. Gerade als ich ihm antworten will, fällt mir die Rezeptionistin ins Wort.
    »Keine Sorge.« Sie klebt mit Tesafilm ein rotes Schild auf den Moet & Chandon. »Sie sind bereits die Nummer 76 heute.«
    »Was? 76 Leute haben schon Alkohol abgeben müssen? An einem Tag?« Mein Glaube an die regel- und obrigkeitstreuen Japaner bekommt weitere Risse. Auch hier werden also Ausnahmen gemacht. Die Rezeptionistin, die wohl erahnen kann, was in mir vorgeht, schenkt mir ein Lächeln.
    »Insgesamt haben wir von den 76 Personen 447 Flaschen eingesammelt, falls es Sie interessiert.« Ich bin fassungslos: Der Japaner als solcher ist wohl doch trinkfester als gedacht.
    Das Deck des Schiffes füllt sich an diesem Abend schnell; der Hafen von Cristobal hat wenig zu bieten, denn während am Kai die großen Schiffe unter voller Beleuchtung in der lauen Sommernacht ankern, wartet draußen vor den Toren des Porto die Gefahr in der Dunkelheit. Nach einem Automatenbier auf dem Pooldeck, ein schwacher Ersatz für den Champagner, verabschieden Yuuku und ich uns voneinander. Wir wollen früh schlafen gehen, denn für den nächsten Morgen haben wir einen Taxifahrer angeheuert, der uns in den Dschungel bringt. Wenn wir im Anschluss noch nach Panama City wollen, müssen wir zeitig aufstehen, und heute Abend werden wir an Bord nicht viel verpassen. Der Rückzug in meine Kabine fällt mir daher leicht, aber als ich endlich dort angekommen bin und in meinem Bett liege, kann ich nicht schlafen. Mir fehlt das Stampfen des Schiffes, das Auf und Ab der Wellen, und ich muss die Vorhänge zuziehen, damit mich das Licht, das aus dem Hafen zu mir heraufleuchtet, nicht stört. Erstaunlich, dass ich doch immer wieder für ein paar Augenblicke vergesse, wie weit ich von zu Hause entfernt bin. Bis ich mir wieder in Erinnerung rufe, dass ich gerade auf der anderen Erdhalbkugel umherreise, den Äquator überquert habe und auch, wenn man die Flugstrecken dazurechnet, auf meiner Reise einmal den Erdball umrundet habe. Mich überfällt ein kleiner Anflug von Heimweh. Nur für einen kurzen Moment, aber es reicht, um an diesem Abend um 22.45 Uhr südamerikanischer Zeit Raffaele eine Nachricht zu schicken. Raffaele, der am anderen Ende der Welt in seiner Mailänder Wohnung sitzt. Und vielleicht an mich denkt. Zumindest hoffe ich das.
    »Ich vermisse dich.« Mehr schreibe ich nicht. Aus Angst

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