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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Herrgott, es macht doch eigentlich Spaß, das alles noch mal wiederzusehen. – Und dort oben der Heuboden… In jeder Ecke hatten wir unsere Räuberhöhlen…“
    „Wie geräumig es hier ist“, sagte ich und dachte an meinen Bruder Tor. Oh, wenn er nur ein Stückchen des Heubodens oder einen Winkel im Stall für seine Kaninchen gehabt hätte, wie selig wäre er gewesen!
    Dann erzählte mir Direktor Lindeng, daß er außerhalb der Stadt wohne. „Ich habe mir dort ein Haus gebaut. – Ich ziehe es vor, möglichst weit weg von der Innenstadt zu wohnen. – Ich habe vier Kinder. – Nein, ich habe keinen Chauffeur, ich fahre selbst.“
    Was er auch sagte, alles begann mit ich – ich – ich…
    „Nein, wirklich, Sie haben schon vier Kinder?“ fragte ich. „Jungen oder Mädel?“
    „Drei Jungen und ein Mädchen!“ sagte er stolz. „Der älteste, Klein-Ditlef, ist acht, dann kommt die kleine Agnete und schließlich die Zwillinge Jörgen und John-Christen. Sie sind zwei Jahre alt. Und nun wollen wir mal sehen, ob wir nicht bald der kleinen Agnete ein Schwesterchen schenken können.“
    Es sähe Ihnen ähnlich, jetzt auch noch zu sagen: Ich bekomme ein Kind! dachte ich. Aber ich sagte es nicht.
    Nipp bellte ungeduldig und wollte zurück. So gingen wir wieder dem Hause zu. Vor der Tür zur Veranda wandte Direktor Lindeng sich zu mir um.
    „Sollten Sie bei Tante Agnete auf irgendwelche Schwierigkeiten stoßen, dann sagen Sie mir Bescheid“, sagte er. „Der Umgang mit ihr ist nicht immer leicht, aber ich werde ganz gut mit ihr fertig.“
    Ich antwortete nicht, und wir gingen ins Haus.
    Kaffeeszene. Großer, runder Tisch mit Spitzendecke. Ausgesucht feines Gebäck in Silberschalen. Verschiedene Likörflaschen in einem silbernen Gestell.
    Während wir beim Kaffee saßen, erschienen Doktor Bogard und seine Frau. Bisher hatte ich die anderen Damen für elegant gehalten, aber neben Frau Bogard wirkten sie geradezu unscheinbar. Sie war sehr groß, platinblond, unwahrscheinlich schlank und hatte schmale, lange Hände. Ein einziger, großer Saphir blitzte an ihrer rechten Hand, sonst trug sie keinen Schmuck. Aber ihr Kleid war ein Märchen an raffinierter Einfachheit, die Schuhe von ausgesuchtem Schick in Form und Schnitt, und die Frisur saß so untadelig wie auf einem Werbefoto. Hochaufgerichtet und schön, sicher und lächelnd glitt sie über das Parkett auf Tante Agnete zu.
    „Liebste Frau Garde, es tut mir ja so leid, aber Henning ist unmöglich, wissen Sie. Vor einer Stunde erst ist er zurückgekommen. So haben wir rasch zu Hause noch ein wenig gegessen. Aber wir hoffen, daß Sie noch ein Täßchen Kaffee für uns übrig haben.“
    Tante Agnete nickte lächelnd und betrachtete Frau Bogard mit sichtlicher Zufriedenheit. „Was für ein bildschönes Kleid haben Sie da, liebe Vera – aus Paris?“
    „Ja, ein Modell von Dior. Sie wissen ja, wenn Henning etwas kauft, dann ist ihm nichts gut genug.“
    „Ein teures Vergnügen, verheiratet zu sein, nicht wahr, lieber Doktor?“ scherzte die Tante und gab ihrem Arzt die Hand. „Sie scheinen Ihre Frau ja ordentlich zu verwöhnen.“
    „Ich liebe es, etwas Schönes anzusehen“, erwiderte Doktor Bogard mit leiser, ein wenig schleppender Stimme.
    „Oh, ich sage Ihnen, die Woche in Paris hat meinem Mann eine Stange Geld gekostet! Er kaufte allerlei, das schön anzusehen ist“, versicherte Frau Bogard lächelnd. Sie begrüßte uns der Reihe nach, machte eine liebenswürdige Bemerkung zu mir als ihrer „Nachfolgerin“, wie sie sagte, und ließ sich lässig auf einen Stuhl am Kaffeetisch nieder. Sie wurde ganz selbstverständlich der Mittelpunkt des Kreises.
    Der Doktor wurde sofort von Onkel Toralf mit Beschlag belegt, der ihn über Magengeschwüre auszufragen begann. Der Arzt war ein eigentümlicher Typ. Es war unmöglich zu erraten, wie alt er wohl sein mochte. Man konnte ihn ebensogut für dreißig als für sechzig Jahre alt halten. Klein von Wuchs – kleiner als seine Frau – , mit schmalem, spitzem Gesicht und nach hinten gestrichenem Haar, was offensichtlich die beginnende Glatze verdecken sollte. Das war deutlich zu erkennen, wenn er den Kopf schüttelte, und das tat er ziemlich oft über die Ansichten von Onkel Toralf. Der Doktor hatte magere, nervöse Hände, die er nicht einen Augenblick stillhielt. Wirklich, er war ein Studium wert – endlich einmal ein interessanter Typ zwischen all diesen fremden Menschen!
    Direktor Lindeng hatte mich versetzt. Er

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