Aber dann kam der Sommer
scharf in den höchsten Diskant hinaufging. Endlich wurde sie ruhiger.
Ditlefmann ging. Er sah sehr nachdenklich aus.
Am Nachmittag kam ein Anruf für Fräulein Björk, und zwar vom Reitklub. Man fragte an, ob das gnädige Fräulein ab morgen um fünf Uhr reiten könne. – Ja, Dyveke sei frei.
Ja, danke, ich konnte.
Welcher Art die Intrigen waren, in deren Mittelpunkt ich – wenn auch völlig unschuldig – stand, das weiß ich nicht. Ich begriff lediglich, daß die Welt der Geschäftsleute eine Welt für sich ist, in der Feindschaften eigentümliche Formen annehmen können: Man trifft sich auf Partys oder im Café, man duzt sich und tut, als sei man herzlich miteinander befreundet, aber unter diesem Deckmantel verbirgt sich ein kleinlicher Haß. – Merkwürdige Menschen!
Was Mutti und Vati wohl dazu sagen würden, wenn sie wüßten, welche Probleme mein Dasein ausfüllten?
Reiten, neue Kleider, Gesellschaften, Bridge, Autofahren, Skandälchen und Klatsch, dann und wann ein wenig Kunstgenuß, eine Premiere mit Abendessen hinterher… Aber es gefiel mir. Ich hatte mich ausgezeichnet hineingefunden. Erst jetzt, lange Zeit danach, und nachdem ich Abstand von dieser Zeit gewonnen habe, schüttele ich den Kopf über mich selbst.
*
Wir waren zu acht, die nachmittags zwischen fünf und sechs Uhr ritten. Der Klub hatte inzwischen weitere Pferde hinzubekommen, denn ständig meldeten sich neue Schüler an. Wir hatten viel Spaß. Ich war in der gleichen Gruppe wie Frau Bogard. Sie unternahm oft allein weite Geländeritte, dazwischen aber nahm sie auch gern hin und wieder am Unterricht teil. Sie sah auf dem herrlichen Schimmel bildschön aus. Jedesmal, wenn ich sie sah, fiel mir ein Zitat eines dänischen Dichters ein:
„Königlich reitet sie auf dem prachtvollen Tier. Demütig unter der Bürde beugt es den herrlichen Hals.“
Mit der Zeit lernte ich auch die anderen näher kennen. Da waren der junge Schiffsreeder Rawen und seine noch jüngere Frau, die Leutnants Steen und Dankertsen, der Kaufmann Brender und schließlich Lilli Brahmer, eine Nichte von Onkel Toralf – alles junge, muntere Menschen. Wir hatten uns bald einen Jargon zugelegt, der auf Nichteingeweihte wahrscheinlich idiotisch wirkte. Aber das tut wohl jeder Jargon.
Manchmal kam Tante Agnete, um zuzusehen. Umschichtig hatten wir einen Nachmittag Unterricht, und den anderen übten wir Quadrille. Hin und wieder machten wir auch lange Ausritte ins Gelände. – Oh, wir hatten es herrlich!
Und die kleine Dyveke ritt sich so wunderbar.
„Ist sie nicht bezaubernd, Tante Agnete?“ fragte ich und hielt an der Barriere, damit die Tante das Pferd genau betrachten konnte.
„Ja, ein sehr schönes Pferd!“ bestätigte Tante Agnete. Sie war heute in besonders strahlender Laune.
„Wenn ich dir doch sagen könnte, wie dankbar ich dir bin“, sagte ich, und es kam mir wirklich von Herzen. Dann ließ ich Dyveke angaloppieren und kehrte zu den anderen Reitern zurück.
Es geschah oft, daß sich unsere Gruppe auch abends traf, entweder im Café oder zu Hause bei einem von uns. Im Café Grand hatten wir einen Stammtisch, und da wir als zahlungskräftige Gäste angesehen wurden, dienerte man uns immer gleich in unsere Ecke, sobald wir auftauchten. Anfangs wurde mir ganz schwindelig bei dem Gedanken, daß wir dabei an ein paar Abenden fast soviel Geld ausgaben, wie Vati an Monatsgehalt bekam. Was hätten wir alles bekommen können von dem Geld, das die Klubmitglieder bei unseren Zusammenkünften mit leichter Hand ausgaben: Für Mutti einen neuen Wintermantel mit Pelzkragen, für Esther ein Paar Kunstlaufschlittschuhe, für Tor Slalomski und für Vati – ach, der gute, liebe Vati – , er hätte sich davon mal ein paar Monate Urlaub nehmen können, um endlich das große Werk über Ibsen zu Ende zu schreiben, das nie fertig wurde.
Nun, ich fand mich darein. An Bequemlichkeiten gewöhnt man sich schnell. Jeden Morgen, wenn ich erwachte, hatte ich etwas, worauf ich mich freuen konnte. Einmal war es ein Teebesuch bei Tante Antoinette, zu dem auch Lilli und noch einige andere aus unserer „Bande“ kamen. Ein andermal wollten wir nach Sommerlund hinausreiten.
Dann gab es eine „Hippologische Party“ – wie es in der Einladung stand – bei Rawens.
Und heute sollten wir zu Bogards kommen – richtiger gesagt, zu Frau Bogard. Von dem Doktor sahen und hörten wir nicht viel. Manchmal machte er bei Tante Agnete seine Arztvisite, hörte sich
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