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Abgang ist allerwärts

Abgang ist allerwärts

Titel: Abgang ist allerwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Kuhnert
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verfärbten Tapeten, war das Blumenmuster kaum noch zu erkennen. Paul saß auf einem der Holzstühle, von dem weiße Farbreste abblätterten, und hatte das Bein - mit dem zusammengenagelten Knochen – weit von sich gestreckt auf einen zweiten Stuhl gelegt. In der Luft hing der leicht säuerliche Geruch schalen Biers. Paul lächelte zufrieden, er hatte mich schon erwartet und deutete mit der Hand auf einen fleckigen Polsterstuhl ihm gegenüber. Hinter ihm, auf einer rostroten Chaiselongue, lag achtlos hingeworfen ein Luftgewehr, von zwei bunten Sofakissen halb verdeckt.
    Davor auf dem Boden seine Ziehharmonika, denn Paul war einer der wenigen im Dorf, die ein Instrument spielen konnten. Und er spielte La Paloma genauso gut wie das Lied vom Kleinen Trompeter .
    Auf seine Frage, ob ich ein Bier wolle, lehnte ich dankend ab und sah ihn erwartungsvoll an. Paul ließ sich Zeit, er öffnete eine Flasche Bier, die er aus der braunen Ledertasche zog, die neben seinem Stuhl stand. Er nahm einen kräftigen Schluck, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und holte dann aus der Tischschublade mehrere Zielscheiben aus Pappkarton, sowie einige Zeitungsschnipsel heraus. Paul schob sie zu mir herüber, es waren Kontaktinserate: Frauen suchten Männer. Dann drehte er die Zielscheiben um und schob sie ebenfalls über den Tisch. Auf den glattweißen Rückseiten waren stichpunktartig Notizen vermerkt. Schlagartig wurde mir klar, was Paul so wichtig war und was er so bedeutungsvoll angekündigt hatte. Er suchte eine Frau, nach acht Jahren des Alleinseins suchte er wieder eine Frau. Und der Zeitpunkt war kein Zufall: Jetzt, da er nicht mehr zur Arbeit fahren musste, wusste er, dass die Tage noch länger werden würden und dass ihm früher oder später die Decke auf den Kopf fallen würde. Er hatte zwar seinen Garten, und der war schon etwas Besonderes, vor allem sein Gemüse, von dessen Größe sie im Dorf wahre Wunderdinge erzählten. Für seinen blauen Kohlrabi hatte er einmal sogar einen Preis bekommen. Aber selbst preiswürdiges Gemüse half nicht gegen Einsamkeit. Wie hatte ich glauben können, dass sich Paul in seinem Junggesellendasein wohl fühlte.
    »Du ahnst wahrscheinlich schon, worum es geht. Ich wollte mich mit dir in dieser Angelegenheit beraten.«
    Ich nickte und sah ihn fragend an.
    »Mit der da hab ich mich getroffen.« Paul zeigte auf eine Annonce, die mit einem Kugelschreiber angekreuzt war.
    »Letzten Sonnabend in der Kreisstadt. Das hat sie vorgeschlagen, war aber in Ordnung, ich hab auf der Karte nachgemessen, genau die Hälfte der Strecke zwischen hier und ihrem Wohnort. Hab sie auch gleich erkannt an dem vereinbarten Zeichen: Leuchtend-Rosa-Strickjacke. Angesprochen hab ich sie aber zuerst nicht, hab gewartet und observiert, hab ich ja schließlich mal gelernt.«
    Er grinste zufrieden, nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und fuhr dann fort: »Sie ist im Auto gekommen, aber nicht allein, da ist noch eine andere Frau gewesen, die am Steuer saß, rothaarig, mit Sonnenbrille, angeblich ihre Freundin. Hat sie jedenfalls gesagt.
    Die ist dann weitergefahren, mich hat die aber nicht bemerkt. Meine Leuchtend-Rosa-Strickjacke hat sich erst unsicher umgeguckt, dann hat sie mich entdeckt und ist zögernd auf mich zugekommen. Sie hat mich gefragt, ob ich Paul sei, war aber überflüssig, denn mein Kennzeichen war ja die Krücke. Ich hab bloß genickt, auch als sie gefragt hat, ob das mit dem Bein ein Unfall gewesen sei. Wir sind dann gleich in das Café am Markt, sie hatte nicht viel Zeit.
    Wollte mir mit Weinbrand kommen, zum Lockerwerden, hat sie gesagt. Ich hab abgelehnt.« Paul grinste, als hätte er sagen wollen: Auf diesen plumpen Trick bin ich natürlich nicht reingefallen.
    »Ich bin bei Kaffee geblieben, sie hat sich dazu noch einen Schnaps eingeholfen, einen doppelten. Die war ganz schön aufgeregt, sowas erkenn ich sofort. Dann hat sie ihre Beine übereinander geschlagen, sie hatte ´n ziemlich kurzen Rock an und gesagt, dass sie noch sehr flott ist. Verstehst du?«
    Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in den Küchendunst.
    »Ich hab sie reden lassen und nur ein paar präzise Fragen gestellt: Seit wann geschieden und warum? Wieviel Kinder?
    In welchem Alter? Beruf? Wohnung? Das Wichtigste hab ich mir notiert.«
    Ich sah Paul erstaunt an. Nichts mehr von der gedrechselten Redeweise vor dem Schloss. Der da sprach, verriet seinen früheren Beruf.
    »Sie wollte auch einiges von mir

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