Abgang ist allerwärts
meiner Abfahrt hatte ich wieder mit Edda Pommerenke telefoniert, damit sie Rudi bat, das eiskalte Haus schon vor meiner Ankunft zu heizen. Als ich drei Stunden später auf den Hof fuhr – es war ein frostig klarer Wintertag –, sah ich zu meiner Überraschung, dass vor dem Hintereingang ein großer Haufen Braunkohlenbriketts lag. Ich konnte mich nicht erinnern, Kohlen bestellt zu haben, obwohl meine Vorräte langsam zur Neige gingen. Sicher hatte ich die Lieferung der Umsicht von Rudi zu verdanken. Gott sei Dank hatte ich ja das Geld vom Verkauf der Sachen bei mir. Als ich die warme Küche betrat, entdeckte ich auf meinem weißen sechseckigen Tisch eine Schüssel mit Eiern, ein großes Stück Schinkenspeck, einen Ring hausgemachter Schweinswurst und ein Suppenhuhn, sogar das dazu gehörige Gemüse lag schon geputzt daneben. Als Gegenleistung für den von mir im Dorf verteilten Fisch hatte ich hin und wieder das eine oder andere auf meinem Küchentisch gefunden, aber nie in solcher Fülle, und ein Tausch war es diesmal ja auch nicht. Deutlicher konnten sie mir nicht zeigen, dass sie Bescheid wussten. Ich starrte auf das Tischlein-deck-dich und schluckte immer wieder, um den Kloß, der mir im Hals saß, endlich hinunterzuschlucken. Dann ging ich zum Haus gegenüber, wo ich nur Agnes, Rudis Frau, antraf. Als ich sie fragte, was ich für die Kohlen auf dem Hof schuldig sei, und wer das »Füllhorn« auf meinem Küchentisch ausgeschüttet hätte, winkte sie ab und sagte: «Das weiß ich nicht. Mach dir mal keine Sorgen, das ist schon in Ordnung.« Meinen eher halbherzigen Protest ignorierte sie und fragte nur, ob ich mit ihnen zu Abend essen wolle. Als Rudi etwas später aus dem Stall zurückkam, und sich zu uns an den gedeckten Tisch setzte, tat er so, als sei nichts gewesen und fragte nur, ob das Haus denn warm genug sei, immerhin hätten sie schon seit Tagen Frost. »Wenn man genug Kohlen hat«, versuchte ich das Thema noch einmal anzuschneiden, aber Rudi ging nicht darauf ein und fragte nur, ob ich auch ein Bier wolle. Ich nickte und Agnes stellte einen Teller mit sieben Koteletts auf den Tisch. Zwei davon landeten sofort auf meinem Teller und zwischen Fleisch, Gemüse, Kartoffeln und Bier war erst einmal kein Platz mehr für weitere Fragen. Rudi erkundigte sich nach dem Essen scheinbar unbefangen, wie lange ich diesmal bleiben wolle. Mir war klar, dass ich wenigstens Rudi und seiner Frau nun endlich sagen musste, was das ganze Dorf im Grunde schon wusste, oder zumindest ahnte. Ich goss mir etwas Bier ins Glas und versuchte zögernd einen Anfang zu finden.
»Ihr habt wahrscheinlich schon gehört, was ich vorhabe.«
Agnes warf Rudi einen Blick zu, der es vermied, mich anzusehen und nur leise Ja sagte.
»Ich habe lange gezögert und es mir – das könnt ihr mir glauben – nicht leicht gemacht, aber wisst ihr, wie beschissen sich das anfühlt, wenn plötzlich das, was du schreibst, nicht mehr gewollt wird. Die, die meine Texte vorher nicht hoch genug loben konnten, haben sich um 180 Grad gewendet. Meine Arbeiten sind von einem Tag zum anderen angeblich nicht mehr gut genug.«
Rudi hob überrascht den Kopf und nickte.
»Ja, das kenn ich, aber meinst du nich, dass sich das wieder ändern kann?« Ich schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ich ändere, was ich schreibe.«
»Und warum tust du es nich?« Ich sah ihn erstaunt an.
»Weil ich nur so schreiben kann, wie ich´s für richtig halte.«
Rudi runzelte die Stirn.
»Warum tust du ihnen nich den Gefallen. Was is schon dabei? Mit dem Kopf durch die Wand, das hat noch nie geklappt. Nimm mir das nicht krumm, Elias, aber ich versteh euch Künstler nich. Geht es euch nich gut? Ihr kriegt alles, was ihr wollt und trotzdem seid ihr nie zufrieden, das is, ja, das is wie beim Fischer und sin Fru . Ich sag ja nich, dass es bei dir auch so is. Manchmal denk ich, ihr seid so oft im Fernsehen, im Radio und in der Zeitung, da fühlt ihr euch eben vielleicht anders, als wir hier auf´m Dorf.« Jetzt mischte Agnes sich ein: »Und was ist mit dir? Du hast immer gemacht, was sie von dir verlangt haben, Rudi, und was hast du davon? Den Stall haben sie dir vor ein paar Monaten weggenommen«.
»Noch is nich aller Tage Abend«, versuchte Rudi sich zu verteidigen. »Sie haben bis jetzt noch keinen Besseren gefunden«.
»Und was machst du jetzt, so ohne Arbeit?« Agnes sah mich fragend an und legte mir das dritte Kotelett auf den Teller. »Weißt du schon, wann du gehst?« Ich zuckte
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