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Abgang ist allerwärts

Abgang ist allerwärts

Titel: Abgang ist allerwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Kuhnert
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gut schlafen konnte.
    Nun war der erste tolle Tag endlich gekommen und der kleine Saal in der Gaststätte Eintracht war ausverkauft.
    Was kein Wunder sei, hatte Gisbert mir grinsend erklärt, weil allein für den ersten Abend schon vierzig Ehrenkarten für die »wichtigen Persönlichkeiten« des kleinen Städtchens vergeben worden waren, »denn besser eine mehr, als eine zu wenig dazugerechnet.« Vergeblich hatte ich nach einem mir bekannten Gesicht aus meinem Dorf gesucht. Dieser Karneval war offensichtlich ein streng lokales Ereignis. Ich saß zusammen mit Gisbert und Hildegard, dem Ehepaar Kanzog, dem Ökonom Schliemann und dem Lokalredakteur Kienast an einem Tisch. Kanzog war die Nervosität vor seinem Auftritt anzusehen. Ein Stuhl war leer geblieben. Feist, der persönliche Referent des Bürgermeisters, der die dritte Büttenrede hätte halten sollen, fehlte.
    »Ein plötzliches Unwohlsein, wahrscheinlich eine Grippe«, hatte der Bürgermeister Kanzog und Schliemann entschuldigend erklärt.
    Vielleicht war ich durch meine persönliche Situation besonders empfindlich, denn der unstete Blick des Bürgermeisters und sein Tonfall machten mich misstrauisch. Ich vermutete, dass die wahren Gründe für das Fernbleiben des persönlichen Referenten andere waren. Kienast musste etwas Ähnliches gedacht haben, denn er grinste und sagte in die kleine Runde am Tisch: »Da hatte einer schon vorher die Hosen gestrichen voll.«
    Aber bald war es vergessen worden, denn die Stimmung war großartig gewesen. Die Prinzengarde, zu der auch Kanzogs siebzehnjährige Tochter gehörte, hatte zu den von der Kapelle aus der Kreisstadt gespielten alten Karnevalsschlagern so aufregend und perfekt getanzt, dass alle begeistert waren.
    Der Bürgermeister, der an einem Nachbartisch mit seiner Frau, dem Direktor des Volkseigenen Gutes, einem Vertreter des Kreises und dem Stellvertreter des Kreisparteisekretärs saß, stierte mit schon leicht glasigem Blick auf die tanzenden Mädchen mit den kurzen Röcken und roten Stiefeln. Er schwitzte stark, goss sich immer wieder aus einer der Sektflaschen nach und klatschte unaufhörlich Beifall.
    »Schade, dass meine Irmgard ihre Beine nicht mehr so auseinanderkriegt!«, dröhnte seine Stimme. Wenn er lachte, der Meister der Bürger, entblößte er seine tot aussehenden künstlichen Zähne und unter seinem Doppelkinn bildete sich eine dritte Falte. Die kränkliche Blässe auf dem Gesicht seiner Frau verstärkte sich noch, aber sie schien daran gewöhnt, Ziel seiner herablassenden Bemerkungen zu sein, denn sie sah nur kurz in die Runde, lächelte etwas unsicher und nippte dann an ihrem Sektglas.
    Nachdem etwa eine Stunde getanzt worden war, hatte die Kapelle einen Tusch gespielt und Schliemann, im dunklen Zweireiher, einen schwarzen Zylinder auf dem Kopf, war in die Bütt gestiegen. Er hatte eine Art Trauerrede gehalten, die sich auf das Volkseigene Gut bezog. Und was sie da in holprige Knittelverse verpackt im Saal hörten, hätten die meisten nicht für möglich gehalten.
    Der Trauerredner Schliemann sprach das laut aus, was sonst sicher nur hinter der vorgehaltenen Hand geflüstert wurde, denn jeder im Saal wusste, welche Macht der Direktor des Volkseigenen Gutes in der Gegend hatte. Der Beifall war bald so stark gewesen, dass man den Tusch, der den Pointen folgte, kaum noch gehört hatte. Als Schliemann mit seiner Trauerrede am Ende war, hatte er verlegen den Zylinder in Richtung Bürgermeistertisch gezogen und sich höflich verbeugt. Minutenlanger Beifall, in den sich sogar einige Bravorufe mischten, war ihm entgegen gebrandet. Auch der Bürgermeister hatte hemmungslos gelacht und sich immer wieder auf seine Schenkel geschlagen. Seine Frau blickte immer wieder erschreckt zwischen ihrem Mann und dem Gutsdirektor hin und her. Der hatte ein merkwürdiges Bild des Widerspruchs geboten. Die applaudierenden Hände passten so gar nicht zu dem bleichen Gesicht und den unruhigen Augen, die ständig zwischen den scheinbar gleichgültigen Kreisfunktionären und der jubelnden Karnevalsgemeinde hin- und her wanderten.
    Durch den Erfolg des ersten Büttenredners war Kanzog noch nervöser geworden. Immer wieder hatte er in die Außentasche seines Kostüms gegriffen, in die er offensichtlich die Blätter seiner Rede verwahrt hatte. Ich hatte ihm aufmunternd zugenickt und Kanzog versuchte zu lächeln, dann war er mit einer gestammelten Entschuldigung plötzlich eilig aus dem Saal gelaufen.
    »Hundert zu eins, dass er

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