Abgeferkelt: Roman (German Edition)
darüber informiert, dass es bei Ihnen etwas später wird.«
»Wer?«
»Herr Larsen«, wiederholte sie, als ob das alles erklären würde. »Kommen Sie, die Redaktionskonferenz hat längst angefangen, ich bringe Sie hin.« Als die Sekretärin nun um den Tresen herumlief, hatte Kati eine Eingebung: Es war sicher schon 25 Jahre her, aber sie kannte diese Frau. Bei einem ihrer letzten Besuche, die sie als Kind im Büro ihres Vaters gemacht hatte, war sie ihr definitiv schon einmal auf den Fluren begegnet. Damals mochte sie deutlich schlanker gewesen sein, doch die mittlerweile leicht angegraute Kurzhaarfrisur war noch dieselbe.
»Mein Name ist Ellen Klimmt, aber sagen Sie einfach Ellen zu mir. Das tun hier alle.«
»Freut mich, Ellen. Ich bin Kati«, entgegnete sie und hoffte inständig, dass sie der Sekretärin nicht ebenfalls bekannt vorkam. Doch das hatte glücklicherweise nicht den Anschein.
»Wenn Sie irgendetwas brauchen, wenden Sie sich einfach an mich«, fuhr Ellen fort, während sie Kati den Gang hinunterführte. »Und nach der Konferenz gehen wir zusammen in die Personalabteilung, da bekommen Sie dann die Zugangskarte für unseren Parkplatz.« Sie zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Damit das Parken beim nächsten Mal einfacher für Sie wird. Haben Sie sich denn schon ein bisschen bei uns eingelebt?«
»Ähm, ich … bin quasi noch dabei.«
»Ach, Sie werden sehen, das geht ganz schnell.«
»Hoffentlich«, erwiderte Kati aus vollem Herzen. »Bisher ist mir die Umstellung vom Großstadtleben in Frankfurt nicht ganz leichtgefallen.«
»Tatsächlich?« Ellen klang ehrlich überrascht. »Dabei hat unsere Region doch so viel zu bieten: unberührte Natur, wunderhübsche Städte mit interessanter Geschichte und jede Menge Kultur.«
»Tja, also …«
»Kennen Sie Celle?«, fiel die Sekretärin ihr ins Wort. »Fast 500 Fachwerkhäuser auf engstem Raum und dazu das weiße Welfenschloss – ein Traum! Und falls Sie es lieber ein bisschen moderner mögen, habe ich einen ganz besonderen Tipp für Sie: den Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen. Schon mal davon gehört?«
Kati räusperte sich. »Flüchtig.«
»Wer den nicht kennt, hat die Heide verpennt, pflege ich immer zu sagen. So, da wären wir.« Ellen öffnete die Tür zu einem schmalen Raum, der offensichtlich als Konferenzzimmer diente. Rings um den rechteckigen Tisch saßen sechs Männer unterschiedlichen Alters, die sich nun neugierig zu Kati umdrehten. »Herr Larsen? Ich bringe Ihnen Frau Margold.«
Der große, schlanke Mann, der sich nun erhob und auf sie zusteuerte, kam Kati verdächtig bekannt vor. Das Arschloch vom Parkplatz. O Gott.
»Schön, dass Sie endlich zu uns stoßen«, sagte der Kombi-Fahrer und hielt ihr die Hand hin, als ob nie etwas zwischen ihnen gewesen wäre. »Ich bin Jonas Larsen.« Kunstpause. »Ihr neuer Chefredakteur.«
In diesem Augenblick hätte Kati eine Menge darum gegeben, ihre Maskerade fallenlassen und antworten zu können: »Katharina Margold. Ihre neue Verlegerin.« Doch für einen billigen Triumph würde sie ganz sicher nicht ihr mühsam aufgebautes Inkognito aufgeben, das ihr Schutz und genügend Zeit bieten sollte, die richtige Entscheidung zu fällen. Daher verzog sie keine Miene, schüttelte die ihr dargebotene Hand und sagte mühsam beherrscht: »Freut mich.«
»Dann wollen wir Sie mal dem Team vorstellen.« Nichts an Larsens aufgeräumtem Tonfall verriet, dass er ihrer Begegnung vorhin auf dem Parkplatz irgendeine Bedeutung beimaß. »Hier haben wir zum einen unseren Polizeireporter, Jupp Sievers«, fuhr er fort und deutete auf einen etwas behäbig wirkenden Mann in den Fünfzigern, der ein geschmackloses Ringel-Shirt, schütteres Haar und ein Goldkettchen um den Hals trug. »Jupp ist bei uns zuständig für Verkehrsunfälle, Wohnungsbrände und sonstige Katastrophen.«
Sievers stand schwerfällig auf, hielt Kati seine breite Pranke hin, sagte kurz »Moin« und ließ sich ächzend auf den Stuhl zurückfallen.
»Über sämtliche Ereignisse im Landkreis Grümmstein berichtet Heinz Sperling, und das inzwischen seit mehr als dreißig Jahren«, machte Jonas mit der Vorstellungsrunde weiter.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Frau Margold.« Auch Sperling erhob sich, gab ihr die Hand und lächelte sie über den Rand seiner Nickelbrille freundlich an.
»Tatkräftige Unterstützung bekommt Heinz von Tim Schubert, unserem Volontär.« Jonas blieb vor einem rotblonden Jüngling mit Pausbacken und Akne stehen, der
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