Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Papierstapel, der vor ihm auf dem Tisch lag. »Hier habe ich eine Einladung zum Tag der offenen Tür, der heute dort stattfindet. Fahren Sie einfach raus, sehen Sie sich in Ruhe alles an, und reden Sie mit den Leuten, die dort arbeiten. Lassen Sie sich genau erklären, was die da machen und warum. Das Ganze gibt, sagen wir mal, sechzig Zeilen auf der Landkreis-Seite. Und ein Foto von putzigen Ferkelchen im Stroh stellen wir prominent daneben. Alles klar?«
»Klar. Das heißt … Wer genau macht das Foto von den putzigen Ferkelchen im Stroh?«
Heinz grinste. »Sie.«
»Oh, okay. Das hab ich zwar noch nie gemacht, aber …«
»Unsere Digitalkameras sind absolut idiotensicher«, meldete Guido Haak sich zu Wort. »Wichtig ist nur, dass Sie schön dicht rangehen.«
»Dicht rangehen, alles klar«, wiederholte Kati und versuchte, sich die aufkeimende Panik nicht anmerken zu lassen. Sie hatte eine Heidenangst vor allem, was sich auf vier Füßen durch die Welt bewegte, und war ehrlich gesagt nicht sonderlich scharf darauf, mit Ferkeln auf Tuchfühlung zu gehen. Erst recht nicht, wenn es sich um Turbo-Schweine handelte – was auch immer das sein sollte. »Und, äh, wo muss ich hin?«
»Das ist das Tollste an diesem Termin.« Heinz strahlte über das ganze Gesicht. »Sie fahren bis an die Südgrenze unseres Landkreises, in ein Dorf namens Eberswachteln. Eine herrliche Tour über Land, etwa fünfzig Kilometer immer geradeaus. Da lernen Sie Ihr neues Revier gleich mal richtig kennen.«
»Fünfzig Kilometer für eine Strecke?!«
»Und fünfzig Kilometer wieder zurück.« Das kam von Jonas Larsen, der die ganze Zeit mit verschränkten Armen auf der Fensterbank gesessen und Kati nicht aus den Augen gelassen hatte. »Macht zusammen hundert. Die Wege hier bei uns im Norden sind bestimmt ein bisschen weiter, als Sie es aus Frankfurt gewohnt sind. Das ist doch kein Problem für Sie, oder?«
»Nun, wenn Sie mir ein Navigationsgerät zur Verfügung stellen könnten …«, erwiderte sie schwach.
»Ein Navi?« Heinz schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, diesen Luxus gibt’s bei uns nicht. Aber ich kann Ihnen meine Landkreiskarte mitgeben. Die ist zwar auf dem Stand von 1987, aber seither hat sich bei uns hier in der Gegend nicht allzu viel verändert. Sie können doch Karten lesen?«
»Keine Ahnung.«
»Ach was, Sie schaffen das. Und nicht vergessen: Um 17 Uhr haben wir unsere Schlusskonferenz. Sie sollten also rechtzeitig wieder hier sein, um noch genügend Zeit zum Schreiben zu haben.«
»Schreiben?« Kati traute ihren Ohren nicht. »Sie meinen, ich soll hundert Kilometer über Land fahren, recherchieren, Ferkel fotografieren und dann am selben Tag noch alles fertigschreiben?«
Spöttisch hob Larsen eine Augenbraue. Eine Geste, die Kati schon auf dem Parkplatz an ihm bemerkt hatte und die nichts Gutes erahnen ließ. »Wir machen hier eine Tageszeitung, Frau Margold«, sagte er von oben herab. »Keine Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte.«
Selten war sich Kati dämlicher vorgekommen als in diesem Augenblick. Am liebsten wäre sie heulend aus dem Zimmer gelaufen.
Heinz Sperling, dem der verdächtige Glanz in ihren Augen nicht entgangen war, erhob sich und ging auf sie zu. »Kommen Sie mit, Kati, wir statten Sie erst mal mit allem aus, was Sie für Ihren ersten Einsatz brauchen. Sie werden sehen, so schwer ist es gar nicht, für eine Tageszeitung zu arbeiten. Nur ein bisschen gewöhnungsbedürftig.«
Behutsam fasste er sie beim Ellbogen und führte sie aus dem Konferenzzimmer. Kaum dass die Tür sich hinter den beiden geschlossen hatte, stieß Jupp Sievers hörbar einen Schwall Luft aus.
»Körperhaare dauerhaft entfernen«, äffte er Kati nach und fasste sich an seinen nur noch spärlich bewachsenen Kopf. »Also, bei mir ging das ganz von selber.«
Edwin von der Heide hatte Gewissensbisse, stellvertretend für alle Anwesenden, denen es nicht so ging. »Ihr habt das Mädchen zu hart rangenommen«, sagte er tadelnd. »Wie könnt ihr sie gleich am ersten Tag zu den Schweinen nach Eberswachteln schicken? Dieser Termin wäre selbst für einen gestandenen Lokal-Reporter die absolute Höchststrafe.«
»Sie soll sehen, was es heißt, für eine Zeitung im ländlichen Raum zu arbeiten«, stellte Jonas ungerührt klar. »Und sich gut überlegen, ob sie hier mit ihren Stöckelschuhen auch wirklich richtig ist.«
»Aber eins muss man ihr lassen«, sagte Guido versonnen. »Beine hat die … bis zum
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