Abgeferkelt: Roman (German Edition)
schnuppern sowie das eine oder andere Parfüm am Handgelenk auszuprobieren. Danach gab’s Mittagessen in der Kantine, anschließend Kaffee und Schokokekse mit den Kolleginnen im Café um die Ecke. Und jetzt? Jetzt kurvte sie mutterseelenallein durch die Walachei, um sich mit ein paar Ferkeln im Stroh zu vergnügen, und ihre Mittagspause würde angesichts des engen Zeitplans lediglich aus einem Brötchen auf der Faust bestehen. Irgendetwas war da bei ihrer Karriereplanung gewaltig schiefgelaufen.
Kurz vor Eberswachteln bog der Traktor vor Kati in einen schmalen Feldweg ab. »Halleluja«, murmelte sie vor sich hin und versuchte, sich an das zu erinnern, was Heinz Sperling ihr gesagt hatte. Gleich nach dem Ortsschild rechts oder links abbiegen, und an der Ecke stand ein Haus. Alles klar. Aber Häuser gab es hier überall. Von einem Hinweis auf die Züchter-Initiative Deutsches Turbo-Schwein fehlte dafür jede Spur.
»Da müssen Se erst mal mittenmang durchs Dorf durch«, verriet die Frau in der einzigen Bäckerei vor Ort, in der Kati schließlich nach dem Weg fragte. »Dann am Milchhof Fiete links, dann hinter der Scheune von Bauer Bargens rechts, und dann sind Se quasi schon da.«
»Und woran erkenne ich die Scheune von Bauer Bargens?«, hakte Kati vorsichtshalber nach.
»Daran, dass es die abgewrackteste von ganz Eberswachteln ist. Können Se im Prinzip nich’ verfehlen.«
Sie bedankte sich, ließ sich noch ein Käsebaguette einpacken und setzte sich wieder hinter das Steuer. Da die Scheune von Bauer Bargens in der Tat sehr abgewrackt war, hatte Kati diesmal auch keine Probleme, sich zurechtzufinden: Innerhalb von zehn Minuten erreichte sie einen großzügig angelegten Hof, dessen Einfahrt mit rosaroten Luftballons geschmückt war. »Tag der offenen Tür« stand in pinkfarbener Schrift auf einem Plastikbanner, das zwischen zwei alten Eichen befestigt war. Kati stellte ihr Auto vor dem weißgetünchten Haupthaus ab, blieb hinter dem Steuer sitzen und sah sich um: Sonderlich groß schien der Besucherandrang noch nicht zu sein. Bis auf zwei Traktoren und einen alten Mercedes war ihr Polo das einzige Fahrzeug weit und breit, und an den Stehtischen, die vor den Stallgebäuden aufgebaut waren, lehnte niemand. Marschmusik drang gedämpft an ihr Ohr, und an der Hauswand gegenüber entdeckte sie ein Schild, auf dem sich eine in groben Strichen skizzierte Sau mit Pausbacken räkelte. Wie im Cartoon zwinkerte sie Kati mit einem Auge zu und fragte in einer Sprechblase: »Heute schon abgeferkelt?«
Nun, das konnte Kati definitiv verneinen. Sie atmete tief durch und lehnte sich in ihrem Autositz zurück. Kein Zweifel, sie war am Ziel. Alles, was sie jetzt noch tun musste, war, auszusteigen und sich in das nicht vorhandene Getümmel zu stürzen. Doch genau davor graute ihr. Sie war zwar nicht wirklich schüchtern, aber einfach so auf fremde Leute zuzugehen und sie anzusprechen, kostete sie dermaßen viel Überwindung, dass sie meistens darauf verzichtete. Ihr Job bei der Frauenzeitschrift hatte ihr so etwas auch gar nicht erst abverlangt: Als Beauty-Redakteurin der Herzwoche musste sie allenfalls mit den Pressedamen der Kosmetikfirmen telefonieren, um noch mehr Pröbchen oder kostenfreies Bildmaterial anzufordern. Und wenn man Außentermine wahrnahm, fanden die in der gepflegten Atmosphäre luxuriöser Hotels statt. Dort gab es dann Häppchen und Begrüßungsgeschenke und Vorträge zu Themen wie »Massieren oder einklopfen? Wie man ein Fluid richtig aufträgt«. Das mochte zwar alles trivial und oberflächlich klingen, aber das war die Welt, in der Kati sich auskannte. Hier jedoch, umgeben von Wiesen, Feldern und Ferkeln, fragte sie sich, ob sie ihrer neuen Aufgabe auch wirklich gewachsen war.
Zaghaft öffnete sie die Autotür, schlug sie aber sofort wieder zu, als ihr der beißende Gestank von Stallmist in die Nase stieg. Igitt! War das etwa die gute Landluft, von der alle schwärmten? Hektisch wühlte Kati ihren Kenzo-Zerstäuber aus der Handtasche und nebelte sich großzügig damit ein. Gott, warum musste ihr erster Termin ausgerechnet inmitten von Schweinen auf dem platten Land stattfinden? Mit dem Auftakt zur Brustkrebswoche im Krankenhaus, zu dem man die Praktikantin geschickt hatte, wäre sie weitaus besser zurechtgekommen. Hätte ihrem Chefredakteur das nicht klar sein müssen?
Sie sah Jonas Larsen vor sich, wie er spöttisch eine Augenbraue hob und sie musterte. Was hatte er noch gesagt? »Wir machen hier eine
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