Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Landkreissache«, widersprach Heinz. »Einen Interviewtermin mit dem Leiter des Straßenverkehrsamtes hab ich auch schon vereinbart.«
»Was tut sich in der Kultur?«, hakte Jonas nach.
Edwin von der Heide verzog das Gesicht, als hätte er Bauchschmerzen. »Da berichte ich über den Tanz-Abend ›Picasso is a dancer‹, der gestern sehr zu meinem Leidwesen in der Stadthalle über die Bühne ging.«
Der Chefredakteur stutzte. »Wieso? Was war los?«
»Die Grümmsteiner Ausdruckstanz-Gruppe hat einige der bekanntesten Gemälde von Picasso nachgetanzt. Und spätestens, als das Bild ›Die Taube‹ in Szene gesetzt wurde, erinnerte die ganze Sache so peinlich an den sterbenden Schwan, dass ich mich ernsthaft fragen musste, ob ich dafür Kunstgeschichte studiert habe.«
»Wenn das alles so schlecht war, wieso schreiben wir dann darüber?«, wollte Guido wissen.
»Weil die Leiterin der Ausdruckstanz-Gruppe gleichzeitig die Ehefrau unseres Chefarztes am Stadtkrankenhaus ist«, entgegnete Edwin zerknirscht. »Und man weiß ja nie, ob man nicht doch mal operiert werden muss …«
»Edwin, diese Bemerkung habe ich als Leiter einer unabhängigen Zeitungsredaktion nicht gehört«, mahnte Jonas und fügte augenzwinkernd hinzu: »Aber achte darauf, dass du die Chefarzt-Trulla groß ins Bild nimmst, okay?« Dann wandte er sich Charlotte und Kati zu. »Die Damen? Was steht bei euch an?«
»Für unsere Porträt-Serie ›Leute in Grümmstein‹ unterhalte ich mich gleich mit der neuen Frauenbeauftragten der Stadt, die heute seit 100 Tagen im Amt ist«, erzählte die Praktikantin. Sie war unglaublich zierlich, hatte ein feingeschnittenes Gesicht und riesengroße, schwarze Knopfaugen. »Im Gespräch mit mir wird sie eine erste Bilanz ziehen und einen Ausblick darauf geben, was sie in Zukunft noch so alles vorhat.«
»Und wen zum Teufel interessiert das?«, meldete Jupp sich zu Wort.
»Na, unsere weiblichen Leser, zum Beispiel«, entgegnete Charlotte, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
Guido stieß Jupp in die Seite und beugte sich verschwörerisch vor. »Seit wann können Frauen lesen?«, fragte er, woraufhin beide dröhnend loslachten und sich immer wieder auf die Schenkel schlugen.
Jonas, der immerhin den Anstand hatte, nicht in ihr Gelächter mit einzustimmen, richtete seine Aufmerksamkeit auf Kati. »Und was haben Sie heute vor, Frau Margold?«
»Ich? Äh …« Sie wurde rot. »Keine Ahnung.«
Wieder schnellte eine seiner Augenbrauen nach oben. »Ihnen ist schon klar, dass Sie sich als Lokal-Redakteurin jeden Tag selbständig um ein neues Thema bemühen müssen?«
Ehrlich gesagt, so klar war ihr das gar nicht. Abgesehen davon hatte sie heute doch erst ihren zweiten Arbeitstag, Herrgott noch mal. Sie kannte hier niemanden. Und wann hätte sie sich gestern vor lauter Turbo-Schweinen um ein neues Thema kümmern sollen?
»Also, ich wäre dankbar, wenn mir jemand heute die Klospruch-Studie am Brentano-Gymnasium abnehmen könnte«, schaltete Charlotte sich ein und lächelte Kati freundlich an. »Denn die Präsentation findet zeitgleich zu meinem Termin im Rathaus statt.«
»Sehr gerne!« Kati fiel ein Stein vom Herzen. »Worum geht es denn?«
»Das klären Sie am besten untereinander ab«, unterbrach Jonas und sah auf die Uhr. »Okay, wenn das alles war, würde ich sagen: an die Arbeit. Wir sehen uns dann um 17 Uhr zur Schlusskonferenz.«
Geräuschvoll schoben die Redakteure ihre Stühle zurück und strömten in den Flur hinaus. Die Praktikantin kam lächelnd auf Kati zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Hallo, du musst Katharina sein. Wir sind uns gestern ja leider nicht begegnet. Ich bin Charlotte.«
»Und ich bin Kati.« Endlich mal ein freundliches Gesicht in diesem Verlag! Sie schüttelte der jungen Frau die Hand und lächelte zurück. »Vielen Dank, dass du mir vorhin aus der Patsche geholfen hast. Ich hätte sonst wirklich nicht gewusst, worüber ich schreiben soll.«
»Kein Wunder, du bist ja auch noch nicht so lange in der Stadt, oder? Woher kommst du noch mal?«
»Aus Frankfurt. Ich habe dort für eine Frauenzeitschrift gearbeitet.«
»Wirklich? Das ist ja cool! Und was verschlägt dich dann ausgerechnet hierher?«
»Sagen wir mal so: Ich brauchte eine Luftveränderung.«
»Oje, dann hoffe ich, du bereust diesen Schritt nicht. Frauen haben in dieser Redaktion nämlich einen sehr schweren Stand, wie du bereits gemerkt haben dürftest.«
»Und warum ist das so?«
Charlotte zuckte mit den
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