Abgeferkelt: Roman (German Edition)
dem Moment, als Jonas die Küche betrat.
»Was ist denn hier los?«, fragte er verblüfft.
Sofort fuhren die beiden auseinander. »Ah, Larsen – gut, dass Sie kommen. Ich, ähm, bespreche mit Frau Margold gerade das weitere Vorgehen in Bezug auf die Scharfen Schützen. «
»So?« Jonas hob eine Augenbraue. »Was gibt es denn da zu besprechen?«
»Nichts, und das habe ich Herrn Dr. Buddington auch schon gesagt«, versicherte Kati schnell.
»So einfach ist das leider nicht«, widersprach der Verlagsleiter. »Die Berichterstattung über den schwulen Schützenkönig wirkt sich schon jetzt äußerst negativ auf unsere Anzeigeneinnahmen aus.«
»Dann hat der Schützenverband also tatsächlich storniert?«
»Nicht nur der, auch etliche Geschäfte haben heute ihre Aufträge zurückgezogen.« Buddington sah mahnend von einem zum anderen. »Im wirtschaftlichen Interesse von uns allen muss ich Sie also bitten, die Geschichte über diesen schwulen Verein künftig aus dem redaktionellen Teil der Zeitung zu verbannen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, protestierte Kati. »Wir lassen uns nicht unter Druck setzen!«
»Hat sich der neue Verlagseigentümer denn schon dazu geäußert?«, erkundigte sich Jonas und nahm seine Wasserflasche aus der Kühlschranktür. »Bisher hat sich der Typ ja sehr gekonnt zurückgehalten – aber vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, ein bisschen Interesse für die Zeitung aufzubringen – meinen Sie nicht, Buddington?«
Der Anwalt fühlte sich allem Anschein nach nicht wohl in seiner Haut. »Nun ja, der Eigentümer …«
»… hat nichts dagegen, wenn wir weitermachen wie bisher.« Der Satz war heraus, bevor Kati sich bremsen konnte. Als sich daraufhin zwei Augenpaare verwundert auf sie richteten, wandte sie sich schleunigst an Buddington. »Das, ähm, haben Sie mir vorhin doch selbst gesagt.«
»Habe ich? Ach, richtig.« Er räusperte sich. »Das habe ich … offenbar wirklich gesagt.«
»Wie jetzt?« Jonas konnte es nicht fassen. »Der Verlagseigentümer kommuniziert mit uns? Welch Fortschritt. Aber könnte der Vogel nicht dazu übergehen, das persönlich zu tun, und uns bei der Gelegenheit auch verraten, ob er die Zeitung verkaufen will?«
»Bedaure – derzeit ist das alles, was ich Ihnen sagen kann«, entgegnete Buddington.
Jonas, der die Flasche gerade zum Mund führen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte er nachdenklich. »Die ganze Zeit schon habe ich das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben.«
»Entschuldigung.« Mit hochrotem Kopf drängte sich Kati an ihm vorbei. »Ich muss an meinen Schreibtisch zurück.«
So schnell ihre Füße sie tragen konnten, flüchtete sie in den Flur. Ihr Herz hämmerte bei jedem Schritt, und ihre Handflächen waren schweißnass vor Schreck. Was hatte Buddington sich nur dabei gedacht, sie ohne Vorwarnung in der Redaktion anzusprechen? Da hätte er auch gleich mit dem Megaphon über den Hof brüllen können, dass der Verlag jetzt ihr gehörte. Oder war es an der Zeit, diese fast schon groteske Maskerade aufzugeben? Schließlich zeigte die Sache mit dem schwulen Schützenkönig doch überdeutlich, wie wichtig es war, im rechten Moment die Stimme zu erheben. Und was Jonas betraf – was, wenn er sie längst durchschaut hatte?
Schwer atmend ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen. Jetzt war eindeutig nicht der Zeitpunkt, in Grübeleien zu versinken. Sie hatte eine halbe Zeitungsseite zu füllen und noch nicht einmal die Hälfte ihrer Recherchen abgeschlossen. Also schob sie sämtliche Gedanken an Jonas in die hinterste Ecke ihres Hirns und fing an zu arbeiten.
*
Für den Rest des Tages klebte Kati mit dem Telefonhörer am Ohr hinter ihrem Computer. Sie sprach mit der Frauenbeauftragten, dem Stadtkämmerer, dem Chefarzt des Grümmsteiner Krankenhauses und dem Pfarrer der zahlenmäßig größten Kirchengemeinde vor Ort. Gegen Ende ihrer Umfrage hatte sie ein sehr klares Meinungsbild zum Auftritt der schwulen Schützen ermittelt – niemand schien etwas dagegen zu haben, dass Manni Kowalski und seine Ritter beim Stadtfest mitwirken wollten. Allerdings befürwortete die Mehrheit der Befragten, die Stadt und den Schützenverband dabei ins Boot zu holen. »Wer Grümmstein offiziell repräsentieren will, sollte das nicht im Alleingang versuchen«, brachte es der Pastor auf den Punkt. »So gesehen wäre es schön, wenn sich alle Seiten gesprächsbereit zeigen würden.«
Wie weit
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