Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Versöhnung nicht das Ziel dieser ganzen Aktion?«
Der Vereinsvorsitzende zögerte. »Was also schlagen Sie vor, Frau Margold?«, fragte er schließlich.
»Sie sollten mehr auf Seriosität setzen. Der schwule Schützenkönig könnte ja für den Schützensport im Allgemeinen und für Safer Sex im Besonderen werben. So nach dem Motto: Am Schießstand ist die Jugend sinnvoll beschäftigt und weiß dank Manni obendrein über Aids Bescheid. Wenn Ihr Verein mit einem derart löblichen Anliegen auftritt, statt zu provozieren, kann eigentlich niemand etwas dagegen sagen.«
»Gar keine schlechte Idee.« Georgette spielte gedankenverloren mit einer falschen Locke. »Und das wäre noch nicht mal gelogen: Wir sind doch alle für die Jugend und gegen Aids, oder?«
»Safer Sex?«, warf Manni angewidert ein. »Findet ihr nicht, dass die ganze Nummer eine Spur zu seriös für uns ist?«
»Nein, wieso?«
Er überlegte eine Weile. »Na, meinetwegen. Das klingt zwar alles nach weniger Spaß, aber für die Jugend würde ich’s machen.«
»Das wäre geklärt«, meinte Georgette und hob ihren Teebecher zum Toast. »Also dann: Auf den König der Kondome!«
23.
U nterdessen führte Jonas ein ebenso kurzes wie unerfreuliches Telefonat mit dem Oberbürgermeister.
»Wir diskriminieren hier niemanden«, stellte Harald Martens gleich zu Beginn klar. »Aber in einer strukturschwachen Region wie der unseren ist es überlebenswichtig, dass der Tourismus sauber und ordentlich bleibt.«
»Was heißt das in Bezug auf den schwulen Schützenkönig?«, hakte Jonas nach. »Ist der un ordentlich und un sauber?«
»Ich gebe lediglich zu bedenken, dass wir mit dem Stadtfest den Höhepunkt im Grümmsteiner Veranstaltungskalender feiern. Dazu reisen regelmäßig zahlreiche Gäste von außerhalb an, vor allem Senioren und junge Familien.«
»Und?«
»Herrgott, Larsen, da wird Karussell gefahren und Zuckerwatte verkauft! Ein schwuler Schützenverein passt bei so was einfach nicht ins Programm!«
»Das heißt, Sie bleiben bei Ihrer Auffassung, dass Manni Kowalski und seine Ritter beim Wettkampf um den Titel des Stadtkönigs nicht antreten dürfen?«
»Wir respektieren unsere homosexuellen Mitbürgerinnen und Mitbürger und freuen uns über deren Engagement«, wich Martens aus. »Aber wir glauben, dass es geeignetere Anlässe gibt als das Stadtfest, um dieses zu zeigen.«
»Und an was dachten Sie da genau?«
Der Oberbürgermeister räusperte sich. »Ist für solche Fälle nicht eigens der sogenannte Christopher Street Day eingeführt worden?«
»Aber wir haben keinen Christopher Street Day in Grümmstein …«
»Eben.«
Eine Pause entstand, in der Jonas entschied, genug Munition gesammelt zu haben. »Verstehe. Dann sind Homosexuelle mit ihren Ideen hier in der Stadt also nicht erwünscht?«
»Das haben Sie jetzt gesagt, nicht ich.«
»Vielen Dank für das Gespräch, Herr Martens.«
»Larsen? Ich kann Ihnen nur den Tipp geben, dem Thema nicht allzu viel Platz einzuräumen. Die Leute hier in Grümmstein wollen so etwas nicht lesen, verstehen Sie?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Darauf, dass ich neuerdings von allen Seiten höre, wie unzufrieden man mit Ihrer Berichterstattung ist. Viele Mitbürger spielen mit dem Gedanken, die Grümmsteiner Zeitung abzubestellen.«
»Ich wiederum höre in letzter Zeit nur Kritisches zu Ihrer Politik«, entgegnete Jonas unbeeindruckt. »Viele Leser erzählen uns, dass sie bei der nächsten Kommunalwahl für die Opposition stimmen wollen.«
Schweigen.
Dann sagte Martens: »Offenbar müssen wir beide mit einem gewissen Risiko leben.«
»Scheint so.«
*
Nachdem Jonas aufgelegt hatte, klebte ihm die Zunge am Gaumen. Die Hitze draußen hatte noch immer nicht nachgelassen, und die Luft im Büro schien zunehmend stickiger zu werden. Wasser. Sehnsuchtsvoll dachte er an die Flasche Selters, die er vor einer Stunde im Kühlschrank deponiert hatte. Das wäre jetzt genau die richtige Abkühlung. Kurz entschlossen stand er auf und schlenderte zur Teeküche.
Schon von weitem hörte er das aufgebrachte Flüstern einer Frau und stutzte. Kati? Offenbar war sie pünktlich von ihrer Spontanaudienz beim schwulen Schützenkönig zurückgekehrt – umso besser. Schließlich hatte sie noch eine Menge Arbeit vor sich. Aber wer war der Typ, mit dem sie da so eifrig tuschelte – doch nicht etwa … Buddington?!
»… Herr Amberg wäre damit ganz sicher nicht einverstanden gewesen«, zischte der Verlagsleiter just in
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