Abgeferkelt: Roman (German Edition)
entschied Jonas.
»Ich? Wieso ausgerechnet ich?«
»Nun, da die Planierraupe und der Wetterhahn unter deiner Würde waren, bist du geradezu prädestiniert für die Heuschreckenplage im Einzelhandel. Sonst noch irgendwelche Themen aus der Tierwelt …?«
Je länger die Konferenz andauerte, desto mehr ertappte sich Jonas dabei, wie er gedanklich abschweifte.
Kati.
Die ganze Nacht hatte er wach gelegen, und die traurige Tatsache war: Er würde den privaten Kontakt zu ihr unterbinden müssen – mit sofortiger Wirkung. Denn nachdem seinen Kindern das vergangene Wochenende mit beiden Elternteilen offensichtlich so gutgetan hatte, stand der Entschluss fest: Isabel und er würden einen zweiten Versuch wagen. Und hatten zur Bekräftigung dieses Vorhabens auch gleich ein Ferienhaus auf Sylt gemietet. Zwei Wochen Sonne, Seeluft und genügend Zeit, diese Kopfentscheidung in ein gutes Bauchgefühl zu verwandeln. Nicht sonderlich sexy. Aber das war es wohl nie, wenn man als Familienvater zu seiner Verantwortung stehen wollte.
Für den Rest des Vormittags verschanzte sich Jonas übermüdet und schlecht gelaunt in seinem Büro. Niemals hätte er für möglich gehalten, dass es ihm so schwerfallen würde, eine Sache zu beenden, die eigentlich noch gar nicht richtig angefangen hatte. In den folgenden zwei Stunden versuchte er erfolglos, sich auf seinen Text zu konzentrieren, hatte dabei aber immer Katis Gesicht vor Augen. Mehrmals stürzte er auf den Gang hinaus, weil er sich einbildete, ihre Stimme gehört zu haben – und kam sich anschließend immer reichlich albern vor. Bei einer dieser Gelegenheiten fiel ihm allerdings ein stark gebräunter junger Mann auf, der zu Ellen an den Empfangstresen trat.
»Guten Tag. Ich würde gern die Verlagsinhaberin sprechen«, sagte er.
Irritiert sah die Sekretärin zu dem Besucher hoch. »Verlagsinhaberin? So was haben wir gar nicht!«
»Oh, aber … Katharina Margold – ist die Ihnen ein Begriff?«
Jonas, der gerade wieder in sein Zimmer zurückkehren wollte, blieb wie angewurzelt stehen.
»Natürlich kenne ich Frau Margold.« Ellen lächelte. »Die arbeitet als Lokalredakteurin bei uns.«
»Lokalredakteurin? Das muss ein Missverständnis sein.«
»Ich glaube nicht. Schauen Sie, es steht sogar hier im Impressum: Frau Margold ist Redaktionsmitglied. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
»Merkwürdig. Ist sie denn im Haus?«
»Sie hat einen Außentermin und müsste jeden Moment zurück sein«, mischte Jonas sich jetzt ein und ging auf den Mann zu. »Kann ich Ihnen solange weiterhelfen?«
»Danke, aber es handelt sich um eine rein private Sache.«
Privat? Das interessierte Jonas schlagartig umso mehr. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie darauf anspreche, aber … Woher kennen Sie Frau Margold?«
»Aus Frankfurt. Wir, ähm, sind befreundet.«
Okay, es wäre naiv gewesen, zu glauben, dass Kati in Frankfurt gar keine Freunde gehabt hätte. Aber mussten die gleich so gut aussehen wie die Rettungsschwimmer aus Baywatch? Jonas verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass Frau Margold die Inhaberin unseres Verlages sein könnte?«
»Na, weil es so ist.«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Aber … Wer denn sonst? Sie ist immerhin die Tochter des verstorbenen Verlegers …«
Abrupt ließ die Sekretärin ihren Kugelschreiber auf die Tischplatte fallen.
»Was haben Sie da gerade gesagt?«, fragte Jonas mit kreideweißem Gesicht. »Kati ist die Tochter …?!«
»… von Friedrich Amberg – wussten Sie das nicht?«
Beinahe synchron schüttelten Ellen und Jonas den Kopf.
»Oh«, entfuhr es dem Baywatch-Typen. »Na gut, sie ist ein uneheliches Kind, darum spricht sie wohl nicht so gern darüber. Aber genetisch gesehen ist die Sache einwandfrei.« Er blickte von einem zum anderen. »Katis Mutter ist schließlich nicht mit jedem ins Bett gegangen – wenn Sie verstehen, was ich meine …«
»Ich bin so dämlich«, murmelte Ellen erschüttert. »Da kam doch früher immer so ein kleines, blondes Mädchen zum Verleger ins Büro – das war sie! Dass ich da nicht längst draufgekommen bin …«
Das kleine, blonde Mädchen von damals wählte exakt diesen Moment, um mit total verdreckten Gummistiefeln in den Flur zu stolpern. »Das war vielleicht eine Sauerei auf der Müllkippe!«, rief Kati unbekümmert. »Diesmal war ich zwar auf alles vorbereitet, hab aber meine Sandalen blöderweise zu Hause vergessen … Macht’s euch was aus, wenn ich für
Weitere Kostenlose Bücher