Abgeferkelt: Roman (German Edition)
den Rest des Tages barfuß durch die Redaktion laufe?«
Das bedrückte Schweigen, das ihr daraufhin entgegenschlug, deutete sie komplett falsch.
»Kommt schon, Leute, ich trage Baumwollsöckchen in meinen Stiefeln! Es ist nicht so, dass ich euch bei dieser Hitze mit Käsefüßen belästigen würde …« Sie verstummte schlagartig, als sie den jungen Mann am Tresen erkannte. »Ralf?!« Erschrocken blickte sie von Ellen zu Jonas und wieder zu ihrem Ex-Freund zurück. »Was um alles in der Welt tust du denn hier?«
»Dich besuchen. Hatte ich dir doch angekündigt, Süße.«
»Aber …«
»Ich bin in meinem Büro«, unterbrach Jonas, in dessen Mienenspiel sich nicht im Entferntesten ablesen ließ, was er empfand. »Komm doch zu mir rüber, wenn dein Besuch sich verabschiedet hat, Kati. Ich denke, wir sollten miteinander reden.«
»In … in Ordnung«, stammelte sie, bevor sie sich wieder zu Ralf umdrehte. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ich hatte doch gesagt, dass …« Als ihr auffiel, dass Ellen sehr interessiert zuhörte, brach sie ab und packte ihn am Arm. »Komm, wir gehen vor die Tür.«
Draußen schlug ihnen die gleißende Sonne entgegen.
»Was ist in dich gefahren, hier einfach so aufzukreuzen?«, fragte Kati fassungslos. »Rück raus damit – was willst du von mir?«
»Nichts weiter – ich hab halt gedacht, du freust dich, wenn ich spontan vorbeikomme.«
»Habe ich mich gestern so missverständlich ausgedrückt?«
»Nein, aber was soll ich machen? Du fehlst mir eben.«
»Seit wann?«
»Komm schon, Kati.« Er trat auf sie zu und zupfte an einer der blonden Haarsträhnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. »Ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe. Aber ist das wirklich ein Grund, alles, was zwischen uns war, zu vergessen?«
Sie sah ihn an und musste plötzlich an ihren ersten Kuss zurückdenken, sehr romantisch war das damals, mitten im Frankfurter Holzhausenpark. Sie dachte an das Weihnachtsfest, das sie ganz allein in ihrer gemeinsamen Wohnung verbracht hatten. Und an die Zeit nach ihrer Blinddarm-OP, als Ralf jeden Tag an ihrem Bett gesessen und ihre Hand gehalten hatte. Dieser Mann war einmal alles gewesen, was sie vom Leben gewollt hatte. Jetzt aber stand sie vor ihm und konnte kaum glauben, wie sehr sie inzwischen über ihn hinweg war. Dabei lag das nicht einmal an seinem Seitensprung, den hatte sie längst überwunden. Sondern daran, dass sie sich verändert hatte, wie sie jetzt überrascht feststellte. Noch gestern war ihr das gar nicht so klar gewesen.
»Es gibt kein Zurück«, sagte sie mehr zu sich selbst.
»Meinst du das jetzt in Bezug auf uns oder im geographischen Sinne?«
Sie lächelte und wunderte sich über die Gewissheit, mit der sie antwortete: »Beides.«
»Das glaub ich jetzt nicht – du willst wirklich hier versauern? In dieser gottverlassenen Gegend?«
»Was heißt denn gottverlassen?«, widersprach sie sofort. »Die Landschaft hier ist einmalig schön, und das kulturelle Angebot …«
»Ich bitte dich!«, fiel Ralf ihr ins Wort. »Vorhin bin ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Bahnhof hierhergefahren – und weißt du, was neben mir stand? Mitten im Bus? Eine Heidschnucke! «
»Das war Geli, die hat eine Profilneurose.«
»Ich krieg auch gleich eine, wenn ich dich so reden höre.« Er trat vor und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Es gibt in dieser Stadt keinen Flughafen, keinen Starbucks, keinen Zara-Store. Was also hält dich hier?«
Kati schüttelte seine Hände ab und erwiderte: »Meine Arbeit und die Menschen, die mich mögen.«
»Na, hoffentlich kennen die dich besser als die beiden Pappnasen, mit denen ich mich vorhin unterhalten habe«, höhnte Ralf. »Die wussten ja noch nicht mal, dass du die Tochter vom Verleger bist.«
Ihr Herzschlag setzte aus. »Was hast du denen erzählt, bevor ich gekommen bin?«
»Ja, nichts. Nur, dass Amberg dein Vater ist …«
»Nein!«
»Wo ist dein Problem? Es stimmt doch.«
»Aber das geht niemanden etwas an!«
»Ach, jetzt komm doch endlich darüber weg, dass deine Eltern dich bei einer heißen, außerehelichen Nummer gezeugt haben«, entgegnete er. »Und überhaupt: Wieso machst du hier einen auf Lokalredakteurin? Der Schuppen gehört dir doch!«
Kati begriff plötzlich. »Du hast die Briefe gelesen«, sagte sie und ärgerte sich, dass es so überrascht klang.
»Kann schon sein.« Ralf wand sich. »Aber du wolltest doch sowieso, dass ich sie wegschmeiße.«
»Fünf
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