Abgehakt
alle schienen noch auf der Suche nach Geschenken zu sein.
Durchgefroren erreichte sie das Altstadt-Bistro Classico in der Goldgasse, wo sie Mark zwischen all den Flaneuren, Shoppingfans und Geschäftsleuten sitzen sah. Er hielt bereits Ausschau nach ihr. Lächelnd winkte sie ihm zu. »Dann wollen wir das Theater mal beginnen«, sagte sie zur Begrüßung.
Mark nahm sie in die Arme. »Schade, dass es nur noch Theater ist«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Aber ich werde ein guter Schauspieler sein, damit wir diese ganze schreckliche Sache hinter uns kriegen.« Er küsste sie direkt auf den Mund.
Bei einem Cappuccino beobachteten sie zunächst ihre Umgebung und stellten fest, dass man durch die laute Geräuschkulisse nicht mal die Leute am Nachbartisch verstand. So konnten sie miteinander sprechen, ohne auch noch verbal ein Liebespaar mimen zu müssen.
»Du siehst furchtbar verkrampft aus. Versuch dich zu entspannen.« Mark griff über den Tisch nach ihren Händen und streichelte sie.
»Du hast gut reden. Wenn ich darüber nachdenke, was mir vielleicht noch bevorsteht, wird mir ganz komisch«, gestand Anne.
»Ich wünschte, ich könnte dir das abnehmen.«
Sie lächelte dankbar. »Was macht ihr Weihnachten?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
»Wir bleiben zu Hause. Nichts Besonderes also. Und du? Feierst du mit diesem Carsten?«
»Ich hatte es vor, ja. Wenn nichts dazwischenkommt.«
»Du bist richtig mit ihm zusammen?«
»Ja!« Sie lächelte über seine Neugier. »Und ich könnte mir vorstellen, dass es für länger ist, falls es dich interessiert.«
»Das freut mich für dich.«
Er streichelte über ihre Wange. Eine Weile schwiegen sie, dann tranken sie aus und verließen das Bistro. Arm in Arm liefen sie noch etwa eine halbe Stunde durch die Straßen, ehe sie sich voneinander verabschiedeten.
Auf dem Weg nach Hause fühlte sich Anne schrecklich einsam und hilflos. Was, wenn die Mörderin schon irgendwo auf sie lauerte? Sie versuchte sich mit den Gedanken an die Polizeibeamten in ihrer Nähe zu beruhigen.
Noch im Auto klingelte ihr Handy, was sie erschrocken zusammenfahren ließ. Ihre Nerven lagen jetzt schon blank. Es war Martin, der sich nach ihr erkundigte und ihr sagte, dass sie ihre Sache mit Mark sehr gut gemacht hatte. Er hörte ihrer Stimme an, dass sie nervös war, und versicherte ihr, dass sie rund um die Uhr bei ihr waren.
Gleich als sie zu Hause war, griff sie selbst zum Hörer und rief Carsten an. Durch seine einfühlsamen, beruhigenden Worte schaffte er es, dass sie sich ein wenig entspannte. Es war gut, dass sie seine Augen nicht sehen konnte, denn darin war große Angst zu lesen.
51
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie gerädert. Sie hatte schlecht und wenig geschlafen und fragte sich, wie lange sie diese Anspannung aushalten würde. Am liebsten hätte sie sofort aufgegeben. Doch die Alternative war ein Leben in Angst und das wollte sie auf keinen Fall.
Gegen zehn rief Martin an und erinnerte sie daran, dass sie laut Plan um die Mittagszeit einen Spaziergang machen sollte. Dazu hatten sie ihr eine schusssichere Weste und auch das Funkmikrofon, das sie am Körper tragen sollte, gegeben.
Derart präpariert lief sie eine Stunde kreuz und quer durch die Kälte und erzählte dabei, was sie sah. Sie tat das zu ihrer eigenen Ablenkung und auch zu Martins Information.
Kurz nachdem Anne wieder zu Hause war und heiß geduscht hatte, läutete es an der Tür. Über die Sprechanlage erfuhr sie, dass es Barbara Hansen war. Erleichtert, ein bekanntes Gesicht zu sehen, öffnete sie.
»Ich wollte mich schnell mal persönlich nach Ihrem Befinden erkundigen«, begrüßte Barbara sie. »Ich finde es nämlich nicht so gut, dass Sie sich diesem Psychoterror den ganzen Tag über alleine stellen müssen. Wenigstens ab und an sollte mal einer nach Ihnen sehen.«
»Das ist lieb von Ihnen, danke! Das kann ich jetzt gut gebrauchen.« Obwohl Anne Barbara Hansen erst zweimal gesehen hatte, fühlte sie sich in ihrer Gegenwart etwas sicherer und nicht mehr ganz so allein.
»Sie sehen auch aus, als wären Sie total durch den Wind. Sie brauchen ein bisschen Ablenkung. Ich kenne ein hübsches Café. Da fahren wir beide jetzt hin und trinken zusammen einen schönen, heißen Glühwein.« Die Bestimmtheit in Barbaras Ton ließ keinen Widerspruch zu. »Was halten Sie davon?«
»Ich habe nichts dagegen, obwohl …« Bei Anne meldeten sich Zweifel. Sollte sie außerplanmäßig einfach so mitgehen?
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