Abgehakt
»Eigentlich sollte ich doch allein sein.«
»Schon, aber ich denke, dass es ein realistisches Szenario ist, wenn sie sich am Wochenende mit einer Freundin im Café treffen. Der Täter kann ruhig noch ein wenig warten, sofern er oder sie überhaupt jetzt schon, einen Tag nach dem Treffen mit Mark, zuschlagen will.« Sie legte Anne die Hand auf die Schulter. »Ich weiß genau, wie es in Ihnen aussieht. Eine kurze Auszeit nur für eine Stunde gibt Ihnen wieder Kraft. Da haben auch die Herren der Polizei nichts dagegen. Ich habe das schon abgeklärt.«
Anne erinnerte sich, dass Kommissar Sandor ihr vorgeschlagen hatte, Frau Hansen als seelischen Beistand in Anspruch zu nehmen.
»Na gut, wenn die anderen damit einverstanden sind. Alleinsein ist im Augenblick wirklich die Hölle.«
»Das verstehe ich gut. Also, kommen Sie.« Aufmunternd lächelte Barbara ihr zu.
»Ich hole nur noch meinen Mantel.«
Als Anne zurückkam, hielt Barbara ihr das Funkmikrofon, das sie auf der Kommode entdeckt hatte, entgegen.
»Das sollten Sie anlegen und am besten gar nicht mehr abnehmen. Kommen Sie, ich helf Ihnen schnell.« Damit streifte sie ihr den Gurt über den Kopf und schob das Mikrofon unter den Pullover.
»Ich hab’ es vorhin nur wegen der Dusche abgenommen«, erklärte Anne.
»Das war in Ordnung.« Barbara lachte. »Duschen vertragen die Dinger nicht besonders gut.«
Anne erwiderte ihr Lachen und griff nach Tasche und Schlüssel.
»Vergessen Sie Ihr Handy nicht«, erinnert Barbara sie.
»Hab’ ich immer in der Handtasche.«
»Na, dann kann’s ja losgehen.«
Michael hatte das Gespräch in der Zentrale mitgehört und wunderte sich gerade darüber, dass er nicht informiert worden war, als Martin mit zwei Tassen dampfendem Kaffee hereinkam.
»Es wäre schön, wenn du mir sagst, wenn der Plan geändert wird«, sagte Michael verärgert.
»Wieso geändert?« Martin stellte die Tassen auf dem Schreibtisch ab.
»Die Hansen fährt gerade mit Anne ins Café. Eine Auszeit nehmen, weil sie ziemlich fertig zu sein scheint. Aber das weißt du ja schon. Nur mich Depp am Computer hat man nicht informiert.«
»Moment, ich weiß nichts von einer Änderung.« Martin runzelte die Stirn.
»Aber die Hansen hat das mit einem von uns abgeklärt, sagt sie.«
»Mit wem?«
»Keine Ahnung.«
»Sind sie noch zu Hause?«
Michael klickte den Lautstärkenregler mit der Maus an, schob ihn nach oben und lauschte.
»Alles still.«
»Lass mich mal das Gespräch hören«, forderte Martin ihn auf.
Michael suchte die Stelle und startete die Aufzeichnung. Martin lauschte angespannt, ehe er wütend mit der flachen Hand auf die Tischplatte schlug. »Das kann doch nicht wahr sein!«, schrie er. »Welcher Trottel genehmigt das über meinen Kopf hinweg?«
Martin ging hinüber zu seiner Jacke und holte sein Handy heraus. Er wählte Barbaras Nummer. Nach dem dritten Läuten ging sie ran.
»Sandor hier. Ich habe eben erfahren, dass Sie mit Frau Degener unterwegs ins Café sind. Verdammt noch mal«, fluchte er, »das ist doch keine Kaffeefahrt! Wir hatten einen Plan, und ich erwarte, dass sich alle daran halten. Wer zum Donnerwetter hat das geändert?«
»Herr Kommissar, jetzt regen Sie sich nicht auf. Frau Degener ist bei mir in guten Händen. Die Frau ist völlig fertig. Sie braucht einfach mal ein bisschen seelischen Beistand. Solange sie bei mir ist, passiert ihr doch nichts.«
»Wer hat das genehmigt?«
»Egon!«
»Milster?«
»Genau der!«
»Wie kommt er dazu? Er hat mit dieser Ermittlung nichts zu tun.«
»Das wusste ich nicht. Er hat nichts davon gesagt. Aber er hielt das für eine gute Idee.«
»Sie fahren sofort zurück«, sagte Martin im Befehlston.
»Jetzt setzen Sie die Frau doch nicht so unter Druck. Ich bringe Sie in einer Stunde wieder nach Hause. Das kriegen Sie dann ja sofort über Ihre Wanzen mit.«
»Ich halte das für keine gute Idee. Ich möchte, dass wir uns an den ausführlich besprochenen Plan halten.«
»Mensch, Sandor! Stellen Sie sich nicht so beamtenmäßig an und lassen Sie uns einfach zu Plan B übergehen.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Martin hasste solch eigenmächtige Handlungsweisen, aber gut … in diesem Fall konnte ja eigentlich wirklich nichts passieren. Zumal Paul, der zurzeit die Observation übernahm, sicher an ihnen dranhing.
»Abgesehen davon, dass es keinen Plan B gibt –«
»Es gibt immer einen Plan B!«, warf Barbara dazwischen.
»– lasse ich Ihre Eigenmächtigkeit
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