Abgehakt
ausging, dass das Motiv immer das gleiche war, mussten alle Opfer ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt haben. Das müsste sich doch herausbekommen lassen. Und der Mörder? Was war das für ein Typ? Ein fanatischer Christ vielleicht, für den das Gebot »Du sollst nicht ehebrechen« Gesetz war? Aber warum vergriff er sich immer an den Frauen und ließ die Männer ungeschoren davonkommen? Möglicherweise wies er den Frauen die größere Schuld zu, oder aber er sah in ihnen die leichter zu tötenden Opfer.
Martin besprach das Ganze mit seinem Team und unterrichtete auch seinen Chef über die neusten Erkenntnisse. Endlich gab es etwas zu tun, und Martin hätte am liebsten alles gleichzeitig erledigt. Aber zunächst nahm er sich zum x-ten Mal die Akten aller Morde vor, um sie im Licht der neuen Ermittlungsansätze noch einmal zu durchforsten.
Seine Kollegen sprachen inzwischen mit Nils Breitner und zeigten ihm die Briefe. Er war entsetzt, als er zu dem Schluss kam, dass Marita seinetwegen getötet worden war. Er konnte nicht verstehen, dass sie nie etwas von den Briefen gesagt hatte und auch nicht, dass sie aus ihnen seinen richtigen Namen erfahren hatte.
In der Polizeidirektion wurde im Informationssystem »INPOL« nach Tätern gesucht, die in irgendeiner Hinsicht aus religiösen oder anderen fanatischen Gründen Straftaten begangen hatten. Da gab es einige, die allerdings nicht in unmittelbarer Nähe lebten. Die zuständigen Präsidien wurden unterrichtet und gebeten, entsprechende Befragungen mit diesen Leuten durchzuführen.
Da man annahm, dass die Opfer beobachtet worden waren, bat man alle Privatdetekteien der Umgebung, ihre Unterlagen durchzusehen, ob nicht der Name eines Opfers als Beschattungsobjekt zu finden war. Sollte der Täter die Observationen selbst durchgeführt haben, aber nicht in Wiesbaden ansässig sein, bestand die Möglichkeit, dass er in Hotels untergekommen war. Also überprüfte man auch dies, zumindest für die Namen der religiösen Fanatiker aus der Verbrecherdatei.
Bis die Ergebnisse vorliegen würden, konnte es eine ganze Weile dauern. Dennoch schöpfte das Ermittlungsteam wieder Hoffnung, doch noch die Nadel im Heuhaufen zu finden, nach der sie schon viel zu lange suchten.
Kurz nach Mitternacht beendete Martin die Durchsicht der Akten und seinen Kaffeekonsum. Er hatte zumindest in einem Fall einen Ansatzpunkt gefunden, dem er in ein paar Stunden nachgehen würde.
30
»Hallo! Hier ist Anne!«, meldete sie sich am Mittwochabend telefonisch bei Mark.
»Hi!« Man hörte die Freude in seiner Stimme. »Ich wollte gerade zu dir kommen.«
»Mark, ich möchte nicht, dass du kommst.«
»Warum das denn? Bist du krank?«
»Nein, mir geht es gut. Aber ich möchte, dass du überhaupt nicht mehr kommst.«
»Was soll das heißen?«
»Dass ich unsere kleine Affäre beende.«
Für einige Sekunden herrschte Stille in der Leitung.
»Und das sagst du mir so einfach am Telefon?« Der fröhliche Ton war aus seiner Stimme gewichen.
»Ich dachte, es ist das Beste so.«
»Was? Schluss zu machen oder es mir am Telefon zu sagen?«
»Beides!«
»Anne, was soll das? Das ist doch nicht dein Ernst.«
»Doch!«
»Ich komme, und wir reden darüber«, sagte er bestimmt.
»Nein!«, rief sie erschrocken. »Du brauchst nicht kommen. Da gibt’s nichts mehr zu reden.«
»Das finde ich schon. Ich komme!«
»Nein!«, rief sie wieder und hörte gleichzeitig ein Klicken. Er hatte aufgelegt. Sie hätte es wissen müssen. Am Telefon Schluss zu machen, das konnte man vielleicht mit einem Teenager machen, aber nicht mit einem Mann wie Mark.
Eine Viertelstunde später stand er vor ihrer Wohnungstür. Anne überlegte, ob sie ihn überhaupt hereinlassen sollte. Würde sie tatsächlich beobachtet werden, könnte ihr anonymer »Brieffreund« sich dadurch veranlasst fühlen, ihr weiterhin zu drohen. Mark klingelte Sturm und klopfte heftig.
»Anne, sei nicht albern. Mach auf. Oder sollen wir das durch die Tür besprechen?«
»Also gut«, seufzte sie leise, verwarf ihre Gedanken und öffnete.
Die Frau sah Mark in Annes Wohnung verschwinden. Sie nickte bestätigend vor sich hin. Jetzt war es an der Zeit, Anne Degener ein bisschen Angst zu machen. Ihren Briefen musste sie offensichtlich etwas mehr Nachdruck verleihen. Sie musste Taten sprechen lassen, die sie immer ein wenig steigern würde, sollte sich das Flittchen nicht fügen wollen. Irgendetwas in ihr hoffte sogar, dass Anne sich nicht
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