Abgehakt
sehen.«
Sie verabschiedeten sich, legten auf und blieben gedankenverloren sitzen, jede an ihrem Ende der Leitung. Anne riss sich aus ihren Gedanken, als sie merkte, wie hungrig sie war.
Während sie die Lasagne zubereitete, fiel ihr Blick durch das Küchenfenster. Es war schon fast dunkel draußen. Vielleicht stand ihr Verfolger gerade im Garten und beobachtete sie? Eigentlich war Anne kein ängstlicher Mensch. Doch nun fühlte sie sich so unwohl, dass sie im Laufschritt von Fenster zu Fenster lief, um die Rollläden zu schließen. Sie fluchte vor sich hin und ärgerte sich über sich selbst. Zwei blöde Briefe und sie benahm sich wie eine Gejagte, die zum Abschuss freigegeben war. Sie konnte sich doch von so einem Verrückten nicht derart in Angst und Schrecken versetzen lassen. Vergessen musste sie das Ganze. Nein! Besser noch, sie würde herausbekommen, wer dahinter steckte. Erst dann würde sie wirklich Ruhe haben.
Während sie darauf wartete, dass die Lasagne fertig wurde, spielte sie alle Möglichkeiten, die ihr einfielen, durch. Es gab doch wirklich nicht viele, die als Briefeschreiber infrage kamen. Kelly war ausgeschlossen. Mark? Das wäre ziemlich abgefahren und nur denkbar, wenn er so schwach wäre, dass er sich nicht traute, die Affäre zu beenden und deshalb diesen Weg wählen würde. Aber Mark war nicht schwach. Er sagte eigentlich immer, was er wollte und dachte. Nein! Was war mit Saskia? Sie schien als Absenderin einigermaßen logisch. Wenn sie von der Affäre wüsste, würde sie durch die Briefe vielleicht die Möglichkeit sehen, Mark zurückzubekommen.
Als letzter Verdächtiger war da noch Bernd. Einerseits wäre es denkbar, dass er mit den Briefen seinen Worten Nachdruck verleihen wollte, andererseits musste man schon ein bisschen verrückt sein, um so etwas zu tun, auch einer Freundschaft zuliebe. Sicher konnte sie nicht behaupten, ihn gut zu kennen, aber er machte nicht den Eindruck, ein durchgeknallter Extremist zu sein. Doch man konnte nie wissen.
Sie überlegte, wie sie herausbekommen könnte, wer von den beiden nun tatsächlich hinter den Briefen steckte. Saskia konnte sie unmöglich fragen, und Bernd würde es sicher nie zugeben. So kam sie also nicht weiter. Wenn sie mit Mark morgen Schluss machen würde, wäre sowieso alles vorüber, und im Grunde wäre es dann auch egal, wer der Absender war. Jedenfalls, dachte sie, muss ich vor Bernd oder Saskia keine Angst haben. Also gibt es auch keinen Grund, sich länger den Kopf zu zerbrechen. So schloss sie das Thema fürs Erste ab und widmete sich ihrem Essen, das mittlerweile verführerisch aus dem Ofen duftete.
Am selben Abend wurde das Bild mit dem roten Rahmen von der Wand genommen. Die Frau heftete drei neue Fotos in die fünfte Reihe. Fotos von Anne. Eine schöne Frau, fand sie. Aber sie war nicht besser als all die anderen, die verheiratete Männer verführten. Der erste Brief hatte nicht gewirkt. Anschließend hatte diese Hure sich sogar in aller Öffentlichkeit mit Mark getroffen. Die Frau empfand das als die reinste Provokation und fühlte sich übergangen. Sie spürte, wie ihre Wut langsam aber sicher zunahm.
29
Martin Sandor saß hinter seinem Schreibtisch und blickte unverwandt auf die vor ihm ausgebreiteten Gegenstände. Es waren die persönlichen Sachen von Marita Janz, die man endlich in ihrem Büro wiederentdeckt hatte. Neben dem üblichen Kleinkram gab es ein Foto von Nils Breitner inklusive seiner Telefonnummer. Wie einfach wäre es vor ein paar Wochen gewesen, ihn dadurch ausfindig zu machen, hätte nicht irgendeine ahnungslose Putzfrau die Kiste in den Keller verfrachtet. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Wichtig waren hingegen die Briefe, so hoffte Martin jedenfalls. Marita Janz hatte Kopien von anonymen Briefen angefertigt, die sie offensichtlich in einem Zeitraum von drei Monaten erhalten hatte. Es waren fünf, alle aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt. Sie forderten alle das Ende der Affäre zwischen Marita und Herrn Breitner und drohten bei Zuwiderhandlung eine entsprechende Bestrafung an. Der letzte Brief gab sehr deutlich zu verstehen, dass der Absender keine weiteren Briefe schicken und Marita für ihr Verhalten bestrafen würde. Martin erinnerte sich an den Zettel »Leck mich am Arsch, Briefeschreiber!« an Maritas Wagen. Den musste der Mörder wohl als heftige Provokation empfunden haben.
Martin fragte sich, ob er hier endlich das Motiv für die Morde gefunden hatte. Wenn man davon
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