Abgehakt
lieber.«
»Wollen wir ins Café Lindner gehen? Das ist doch gleich hier vorn auf der Ecke«, schlug sie vor.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mir vorher gern ein frisches Hemd zu Hause holen.«
»Natürlich!« Darauf kam es jetzt auch nicht mehr an.
»In meiner Nähe gibt’s auch ein ganz nettes, kleines Café. Wir könnten mit meinem Wagen fahren, und ich setze Sie anschließend wieder hier ab.«
»Einverstanden!« Sie hielt ihren Autoschlüssel in Richtung Wagen, drückte die Fernbedienung für die Zentralverriegelung und folgte ihm zu seinem schwarzen BMW.
Zwanzig Minuten später saßen sie sich im Café Fobes an einem sehr kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke gegenüber. Während der Fahrt hatten sie sich einander vorgestellt, und Anne hatte ihn interessiert gemustert. Carsten war ein sportlicher, großer Mann, Anfang dreißig, sein dunkelblondes, dichtes Haar trug er kurz geschnitten.
»Sie sind mutig, sich mit mir in einem hellen Hemd an einen Tisch zu setzen.«
»Ich hatte gehofft, dass Sie heute keinen Wutausbruch mehr bekommen, und dachte deshalb, ich könnte es riskieren.«
»Ihre Hoffnung ist wohl berechtigt. Ich glaube, für heute ist mein Wutpotenzial erschöpft.«
Als er Milch in seinen Kaffee rührte, fielen Anne seine großen, schlanken Hände auf. Sie lächelte vor sich hin.
»Es ist schön, Sie lächeln zu sehen. Ihre explosive Seite hat zwar auch ihren Reiz, aber so gefallen Sie mir doch besser.«
»Normalerweise raste ich nicht so aus«, sagte sie entschuldigend.
»Ich sehe das eher positiv. Hätten Sie nicht so reagiert, würden wir jetzt hier nicht zusammensitzen.«
»Ja, das stimmt! Mir gefällt es hier auch viel besser als in meinem Büro.«
Nach einer Weile zog Carsten ein Papier aus seiner Hosentasche. Es war Annes Brief. »War das der Grund für Ihren Besuch beim dicken Ludwig?« Seine klugen, blauen Augen sahen sie neugierig an.
»Ja.«
»Und warum waren Sie so wütend?«
»Weil Ihr Kollege nichts unternehmen wollte.« Sie sprach ganz ruhig. Alle Anspannung und Wut waren verpufft.
»Wollen Sie mir noch einmal erzählen, worum es geht?«
»Das ist aber eine lange Geschichte«, wehrte sie ab.
»Umso länger kann ich hier mit Ihnen sitzen«, gab er scherzhaft zurück, um gleich darauf wieder ernst zu werden. »Erzählen Sie nur, wenn Sie möchten. Ich bin ein guter Zuhörer.«
Das glaubte sie ihm aufs Wort. Sein Gesicht strahlte Ruhe aus, und das bewirkte, dass sie sich in seiner Nähe sicher fühlte. So begann sie, ihm ausführlich alles zu berichten, von Anfang an. Er ließ sie reden und unterbrach sie nur manchmal, um eine Frage zu stellen. Als sie geendet hatte, sah sie nicht sehr glücklich aus.
»Ich wundere mich, dass ich Ihnen das alles so erzählt habe. Ich kenne Sie doch überhaupt nicht.« Unsicher blickte sie ihn an.
»Geht es Ihnen jetzt nicht besser? Es tut doch gut, mal alles loszuwerden.«
»Schon, aber gleichzeitig fühle ich mich ziemlich dumm. Sie müssen doch denken, dass ich verrückt bin, auf so eine Wette einzugehen.« Sie sah zerknirscht aus.
»Nein, Sie sind bestimmt nicht verrückt. Ich denke, dass Sie durch weibliche Neugier in eine Sache geschlittert sind, deren Folgen Sie nicht absehen konnten. Denn die Geschichte ist in der Tat außergewöhnlich.« Er nippte an seinem Kaffee und fragte dann: »Was haben Sie von meinem Kollegen erwartet?«
»Die Frage ist: Was konnte ich erwarten? Was hätten Sie mir an seiner Stelle gesagt?« Erwartungsvoll blickte sie ihn an, mit einem Blick, der ihn fesselte. Am liebsten hätte er geantwortet, dass er froh sei, dass ihr das passiert war, denn sonst hätten sie sich nicht kennengelernt.
»Sie müssen wissen«, sagte er stattdessen, »Herr Dauscher ist ein sehr konservativer Mensch. Wenn er hört, dass eine Frau ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hat, ist sie bei ihm gleich unten durch.«
»Sollte ein Polizist nicht vorurteilsfrei sein?«
»Sicherlich, aber auch wir sind nur Menschen.«
»Und was sind Sie für ein Mensch?«
»Einer, der Ihnen gern helfen würde, wenn er könnte.«
»Das ist nett!« Sie bedankte sich mit einem Lächeln. »Und was könnte man tun?«
»Leider haben Sie nicht allzu viel vorzuweisen. Man könnte natürlich den Brief auf Fingerabdrücke untersuchen und Ihre Nachbarin befragen. Sie würde uns wahrscheinlich nichts anderes erzählen als Ihnen.«
»Sie klingen nicht so, als hätte das sehr viel Sinn.«
»Das will ich nicht sagen. Man muss im
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